Rückblick auf eine erfolgreiche Saison
Die Saison begann mit Marta Górnickas STILL LIFE, einer kraftvollen Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir unsere Humanität in Zeiten der Massenphänomene Pandemie, Digitalisierung und Artensterben erhalten und verteidigen. Ende Mai waren wir damit im Piccolo Teatro di Milano zu Gast.
SLIPPERY SLOPE in der Regie von Yael Ronen wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Damit gehörte das ständig ausverkaufte Almost-a-Musical über Cancel Culture, Cultural Appropriation und andere Gegenwartsdebatten zu den zehn »bemerkenswerten« Theaterinszenierungen der Saison aus dem deutschsprachigen Raum.
Romane, Erzählungen und ein Sachbuch bildeten die Grundlage für gefeierte Uraufführungen: 1000 SERPENTINEN ANGST nach dem Roman von Olivia Wenzel wurde unter Regie von Anta Helena Recke umgesetzt, Sebastian Nübling & Ensemble inszenierten EINE ZUSAMMENFASSUNG VON ALLEM, WAS WAR nach den Erzählungen von Rasha Abbas, Nurkan Erpulat brachte Deniz Ohdes Roman STREULICHT auf die Bühne. Thilo Bodes Sachbuch Die Diktatur der Konzerne war Ausgangspunkt für die letzte Premiere im Container – GROUND CONTROL von Mirko Borscht & Ensemble. Leonie Böhm aktivierte mit NOORRRRAAAAAAAA Henrik Ibsens Klassiker Nora oder ein Puppenheim neu. Christian Weise hat QUEEN LEAR, eine Überschreibung des Shakespeare-Klassikers durch Soeren Voima, mit Corinna Harfouch in der Titelrolle inszeniert.
Uraufführungen feierten auch Nora Abdel-Maksoud mit RABATT, Hakan Savaş Mican mit BERLIN KLEISTPARK sowie Ersan Mondtag mit GESCHWISTER.
Der Film DARK ROOM REVISITED, eine Premiere der vergangenen Spielzeit, wurde zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen und für die Kategorie Netzmarkt ausgewählt.
Vor wenigen Tagen haben wir uns von unserer temporären Spielstätte, dem CONTAINER, verabschiedet. Mit einer großen Party sagten wir Bye, Bye und bedankten uns für drei furiose Jahre mit tollen Projekten.
Ein großer Teil des CONTAINER-Repertoires wird in der nächsten Spielzeit auf der Bühne oder im wiedereröffnenden STUDIO Я weiterspielen.
Der Krieg in der Ukraine hat die Spielzeit gleichermaßen geprägt und begleitet. Bereits am 26. Februar, zwei Tage nach Kriegsbeginn, lasen in SPRACHLOS DIE SPRACHE VERTEIDIGEN – LESEN FÜR DIE UKRAINE Herta Müller, Julia Franck, Durs Grünbein, Karl Schlögel und andere namhafte Autor*innen Stimmen aus der Ukraine, aus Russland und Belarus. Auf der Solidaritätsveranstaltung VOM KRIEG im April erzählten ukrainische Dramatiker*Innen aus dem Kyiver Theatre of Playwrights vom Leben während der Invasion durch Russland.
Theaterstücke, Lesungen und, nicht zu vergessen, Ausstellungen haben in der Saison 2021/22 das Programm im Gorki ausgemacht.
Gleich drei Ausstellungen fanden im Rahmen des 5. Berliner Herbstsalons statt. STRONGER STILL: EXHIBITION – INSTALLATION – TALKS war ein Projekt aus Ausstellungs- und Diskursveranstaltungen, die die Dynamik des Widerstands in der Türkei genauso aufzeigten wie die Erfahrung der Haft und die Art, wie kritische Stimmen diese so brutale wie sinnlose Gefangenschaft überstehen – um oft gestärkt aus ihr hervorzugehen. In der Zeit vom 2. Juni bis 22. August 2021 wurden fünf Einzelausstellungen - prison no.5 mit Werken von Zehra Doğan, die Installationen SILIVRI. prison of thought, museum of small things und SILIVRI MÜZESI, kuratiert von Can Dündar, sowie die Ausstellung witness mit Werken von Timur Çelik präsentiert.
Die Wanderausstellung OFFENER PROZESS, ursprünglich vom 1. Oktober bis 12. Dezember 2021 geplant, aber verlängert bis zum 13. März, widmete sich der Aufarbeitung des NSU-Komplexes. Im dazu konzipierten Rahmenprogramm ’61–’91–’21: IMMER WIEDER DEUTSCHLAND wurden u.a. künstlerische Beiträge von Harun Farocki, Pınar Öğrenci, belit sağ, Želimir Žilnik, Ulf Aminde und Forensic Architecture gezeigt, die sich mit den Lebensrealitäten von Gastarbeiter*innen, Migrationsgeschichten, dem Alltag in Deutschland und der rechtsterroristischen Gewalt auseinandersetzten.
Ab dem 31. März zeigten wir außerdem die Ausstellung BEWARE OF LINGUISTIC ENGINEERING von der britischen Künstlerin Delaine Le Bas, die bereits an vergangenen Herbstsalon-Ausgaben beteiligt war. In der Ausstellung, begleitet von regelmäßigen Performances, Live-Music-Sets und Gesprächsrunden mit wechselnden Gästen, spürte die Künstlerin aus intersektionaler Perspektive der Art und Weise nach, wie Sprache von neoliberaler Politik konstruiert wird, wie dabei bestehende Ausgrenzungen reproduziert werden und das kollektive Bewusstsein beeinflusst wird. Auch in der kommenden Spielzeit besteht noch bis zum 30. September die Möglichkeit, diese Ausstellung zu besuchen.
Vorschau auf die Saison 2022/23
Nach der Sommerpause vom 3. Juli bis 16. August freuen wir uns auf die Spielzeit 2022/23, in der wir viele neue Veranstaltungen, Stücke und Ausstellungen für unsere Zuschauer*innen bereithalten.
Wir beginnen vom 1. bis 4. und 9. bis 11. September mit IN EXILE. QUEERWEEK22 und eröffnen damit das Studio Я wieder. Wie es der Titel schon andeutet, wird es um Queerness im Exil und das Exil in der Queerness gehen. In Performances, Drag-Shows, Lesungen, Panels und Filmscreenings mit unterschiedlichsten Gästen wie Priscilla Bergey, Gerard X Reyes, Nana Schewitz, Queerdos und vielen mehr, wird vermeintlicher und eigentlicher Schutz mehrsprachig-sprachlos und nonverbal erkundet. Es wird um Selbst- und Fremdidentifikation gehen, um (post-)migrantische Perspektiven, um Heimat, aber auch ums Flirten, um Sexualität und um Liebe.
Am 11. September feiern wir die erste Premiere der neuen Spielzeit: MOTHER TONGUE von Lola Arias. Kompiliert aus den Erzählungen von Müttern mit Migrationsgeschichte, von Transvätern, von heterosexuellen Müttern, die auf künstliche Befruchtung zurückgreifen, von schwulen Vätern mit Kindern, von Frauen, die abgetrieben haben, von Frauen, die keine Kinder haben wollen, entsteht in MOTHER TONGUE ein hybrider Raum zwischen Bibliothek und Kunstkammer.
Am 1. Oktober freuen wir uns im Studio Я auf die Premiere von DREI SCHWESTERN in der Regie von Christian Weise. Grundlage für diese Produktion ist die Verfilmung von Thomas Langhoffs Inszenierung der Drei Schwestern am Maxim Gorki Theater (Premiere 1979), damals ein Theaterhit. Zum 70. Geburtstag des Gorki spüren Weise und sein Ensemble dem Geist und Lebensgefühl einer vergangenen Zeit nach.
Am 9. Oktober folgt mit MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER von Bertolt Brecht der zweite Teil von Oliver Frljićs Kriegstrilogie, die er mit DANTONS TOD/ IPHIGENIE in der zu Ende gehenden Spielzeit begonnen hat. Frljić nimmt die Querverbindungen zwischen Krieg, Faschismus und Kapitalismus in den Blick. Wie im ersten Teil der Kriegstrilogie stehen nur Schauspielerinnen auf der Bühne – denn der Krieg ist »die Fortsetzung struktureller Gewalt gegen Frauen.« Im dritten Teil, so viel ist jetzt schon bekannt, wird sich Oliver Frljić im März 2023 mit Texten Heiner Müllers beschäftigen, im Zentrum Die Schlacht.
Am 20. November wird eine von zwei Produktionen, die Yael Ronen 2022/23 für das Gorki erarbeitet, zur Uraufführung kommen. Sie schreibt und inszeniert dieses neue Stück mit dem Arbeitstitel BLUE MONKEY, DIRTY MONEY – eine Komödie über die Liebes- und Beziehungswirrnisse einer Frau in ihren 40ern. Das Bühnenbild entwirft Wolfgang Menardi.
Im Dezember 2022 wird am Gorki ein neues Stück der mit dem Mülheimer Dramatikpreis 2022 ausgezeichneten Autorin Sivan Ben Yishai uraufgeführt. In BÜHNENBESCHIMPFUNG (LIEBE ICH ES NICHT MEHR ODER LIEBE ICH ES ZU SEHR?) benutzt sie die Institution des Theaters als Ausgangspunkt, um grundlegende Fragen über Macht, Autokratie und die Bühne, Gehorsam, Zuschauer*innenschaft und Widerstand zu stellen – und die Art und Weise zu befragen, wie sie im Körper, im Theaterabend, im Theater selbst zum Vorschein kommen.
Im Januar 2023 wird unser ehemaliges Ensemblemitglied Aram Tafreshian für eine Koproduktion mit der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch als Regisseur ins Studio Я zurückkehren. Im Februar 2023 bringt Nurkan Erpulat die großartige Familiengeschichte DSCHINNS von Fatma Aydemir auf die Gorki-Bühne. Darüber hinaus freuen wir uns in der kommenden Spielzeit auf ANTIGONE, die neue Inszenierung von Leonie Böhm, auf AMERIKA nach Franz Kafka in der Regie von Sebastian Baumgarten und auf weitere Inszenierungen von Hakan Savaş Mican, Sebastian Nübling und Yael Ronen. Insgesamt sind 9 Premieren auf der Bühne und 4 im Studio Я geplant.
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