Pressebrief, 11. September 2023

Spielzeitstart 2023/24


Maxim Gorki Theater im September und Oktober: +++ Spielzeitstart 2023/24 +++ 6. Berliner Herbstsalon: LOST – YOU GO SLAVIA +++ Premieren von FRANKENSTEIN ODER DAS VERLORENE PARADIES, EINE NIERE HAT NICHTS MIT POLITIK ZU TUN – GESPENSTER DES TOTALIAUTARIPOSTKOMMUPSEUDOEURASIISMUS am 28. September +++ Premieren von IM MENSCHEN MUSS ALLES HERRLICH SEIN und WHILE HISTORY WRITES ITSELF am 27. Oktober


Liebe Journalist*innen,

am 29. August sind wir in die neue Spielzeit 2023/24 gestartet: Im September sind u.a. »Gorki-Klassiker« wie Yael Ronens THE SITUATION (24. September) und neue »Gorki-Repertoire-Hits«, wie Hakan Savaş Micans Mixtape ALLES WIRD SCHÖN SEIN. (22. September, 5 & 18. Oktober) zu sehen. Gleich zum Beginn der Saison freuen wir uns auch sehr über Preise und Auszeichnungen: Nurkan Erpulats Inszenierung von DSCHINNS (1. & 13. Oktober) nach dem Roman von Fatma Aydemir wird mit dem renommierten Friedrich-Luft-Preis für die beste Theaterinszenierung der Spielzeit 2022/23 im Raum Berlin und Potsdam ausgezeichnet. Mit PLANET B von Yael Ronen und Itai Reicher waren zwei von zehn Nominierungen aus dem Gorki. Die Verleihung findet am 1. Oktober nach einer DSCHINNS-Vorstellung bei uns statt. Ebenso begreifen wir es als Ansporn, dass die selbstkritische Liebeserklärung BÜHNENBESCHIMPFUNG (LIEBE ICH ES NICHT MEHR ODER LIEBE ICH ES ZU SEHR?) von Sivan Ben Yishai, die Sebastian Nübling uraufgeführt hat, als »Stück des Jahres« von der Zeitschrift Theater heute ausgezeichnet wurde, am 7. & 8. Oktober nehmen wir es wieder auf. Das Maxim Gorki Theater belegte zudem den zweiten Platz in der Wahl zum »Theater des Jahres«. Mit Lea Draeger, Vidina Popov und Mehmet Yılmaz in der Rubrik »Schauspieler*in«, sowie Aysima Ergün und Anthony Hüseyin in der Rubrik »Beste*r Nachwuchskünstler*in« wurden fünf unserer Ensemblemitglieder hervorgehoben.
 
Nach dem Prolog im letzten Frühling GEZİ – TEN YEARS AFTER blicken wir jetzt mit Spannung dem zweiten Teil des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA entgegen. Was hat der blutige Zerfall Jugoslawiens mit dem Heute zu tun? Staatsgebilde zerfallen nicht einfach so. Das sahen wir vor 30 Jahren in Jugoslawien und das sehen wir heute an vielen Orten auf der Welt. Inwieweit spielen unsere Politik, unsere Geschichte und unser Nichtwissen hier hinein? Neben einer Filmreihe, Gesprächen und Lectures präsentieren wir Ausstellungen von Danica Dakić, Mladen Stilinović und Milica Tomić, Premieren von Oliver Frljić & Ensemble, Marina Frenk & The Disappointalists, Marta Górnicka & The Chorus of Women und Sasha Marianna Salzmann, wie auch Gastspiele von Selma Spahić, Tanja Šljivar, Milan Ramšak Marković, Sebastijan Horvat und Bliadski Circus Queelective.
 

Weitere Informationen zu LOST – YOU GO SLAVIA finden Sie hier im Magazin. 
 
Gleich zur Eröffnung am 28. September fragt unser künstlerischer Co-Leiter Oliver Frljić in FRANKENSTEIN ODER DAS VERLORENE PARADIES, angesichts der rasanten Entwicklung künstlicher Intelligenz und der ungebremsten Klimakatastrophe, auf der Basis von Mary Shelleys Roman Frankenstein, welche neuen Monster wir gerade kreieren.
 
Marina Frenk, langjähriges Ensemblemitglied und Gorki-Weggefährtin, begibt sich gleichfalls am 28. September mit der neu formierten Band The Disappointalists in eine absurd-musikalisch-poetische Welt universeller Fragen vor dem Hintergrund des Postkommunismus: Warum tut der Mensch, der denken kann, seinem Mitmenschen Isolation, Folter und Erniedrigung an? Und kann ich wirklich frei denken und entscheiden? EINE NIERE HAT NICHTS MIT POLITIK ZU TUN – GESPENSTER DES TOTALIAUTARIPOSTKOMMUPSEUDOEURASIISMUS ist eine szenische Installation, ist Konzert und ist nicht zuletzt eine persönliche Suche nach Wahrheit zwischen den Zeilen. 
 
Am 29. September feiert MOTHERS – A SONG FOR WARTIME von Marta Górnicka am Teatr Powszechny in Warschau Premiere. Am 3. & 4. November zeigen wir die Berliner Uraufführung im Gorki. Das Chortheaterstück erzählt mit Bezug auf den traditionell ukrainischen Ritualgesang Shchedrivka / Щедрівка gemeinsam mit Müttern und Kindern aus der Ukraine, Belarus und Polen, ihre Geschichten von Krieg und Verfolgung. Ihr Gesang wird zu einer Anklage, einem Ruf, einer Bitte, einer Warnung. 
Weitere Highlights des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA Openings sind die Eröffnungen der Ausstellungen ZENICA TRILOGIE 2019 + VEDO 2023 von Danica Dakić, FOUR FACES OF OMARSKA von Milica Tomić und Anousheh Kehar, sowie PJEVAJ! (SING!) von Mladen Stilinović.
 
Die von Oliver Frljić kuratierte Filmreihe startet am 30. September mit dem Film QUO VADIS, AIDA? von Jasmila Žbanić, der mehrfach internationale Auszeichnungen wie drei Europäische Filmpreise und eine Oscar-Nominierung erhielt. Im Anschluss an den Film sprechen Jasmila Žbanić und die bildenden Künstler*innen Danica Dakić und Milica Tomić in QUO VADIS, YUGOSLAVIA? über Ihre Werke im Kontext des ehemaligen Jugoslawiens.
 
Regisseurin Selma Spahić, die in der nächsten Spielzeit ihre erste Inszenierung in Berlin am Gorki zeigen wird, präsentiert im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalons im Oktober gleich zwei Gastspiele: MOJA FABRIKA (MY FACTORY) (3. & 4. Oktober) basiert auf dem gleichnamigen Buch von Selvedin Avdić, einer intimen Monografie über die Stadt Zenica in Zentralbosnien und ihr Eisenwerk, das zum bedeutendsten Industriesymbol im ehemaligen Jugoslawien wurde. In KAO I SVE SLOBODNE DJEVOJKE (ALL ADVENTUROUS WOMEN DO) (12. Oktober) erzählt die Dramatikerin Tanja Šljivar von der Kluft zwischen den Jungen und Alten und den Folgen der Vernachlässigung der Jugend durch die alternde Generation.
 
In der von Sasha Marianna Salzmann initiierten »Gorki Schreibwerkstatt« WHILE HISTORY WRITES ITSELF haben die Autor*innen Julia Cimafiejeva, Davit Gabunia, Natalia Graur, Kateryna Penkova, Ivana Sajko und Tanja Šljivar unter der Leitung von Anastasiia Kosodii seit Januar untersucht, wie ein Schreiben für das Theater im Angesicht der grausamen Realität möglich ist. Die Ergebnisse der Schreibwerkstatt werden in szenischen Lesungen, eingerichtet von Regisseur*innen, die aus denselben Regionen kommen, am 27. & 28. Oktober und 3. & 4. November im STUDIO Я präsentiert. Vorgestellt werden in 30-minütigen Auszügen im Oktober die Texte EXTREMIST*INNEN von Julia Cimafiejeva (Regie: Sasha Marchenko), BABARIANS OF THE ONION VARIETY von Kateryna Penkova (Regie: Olena Apchel) und NATIONALTHEATER: EIN STÜCK von Tanja Šljivar (Regie: Oliver Frljić) und im November HOW I FELL IN LOVE WITH AN OLIGARCH’S DAUGHTER von Davit Gabunia (Regie: Data Tavadze), NOW YOU’RE NOT JUST A BODY FOR ME von Natalia Graur (Regie: Roza Sarkisian), RIEFFENSTAHL.UA von Anastasiia Kosodii, die auch Regie führt und THIS IS NOT A PERFORMANCE ABOUT YOUR BEAUTY von und mit Ivana Sajko.

Am 27. Oktober feiern wir die Premiere von IM MENSCHEN MUSS ALLES HERRLICH SEIN nach einem Text von Sasha Marianna Salzmann in der Inszenierung von Sebastian Nübling. Darin erzählt Salzmann vom Zerfall eines politischen Systems, von gesellschaftlichen Umbruchzeiten und deren Auswirkungen auf die Lebenswege von den zwei Freundinnen Lena und Tatjana, die in den 90ern die Ukraine verließen und in Jena strandeten, und ihren Töchtern Edita und Nina – die auf je eigene Weise versuchen, in der Gegenwart mit dem nahezu unbekannten Erbe ihrer Mütter, mit dem Zerfall des Kolosses Sowjetunion und seinen Nachwirkungen, umzugehen: »Das Land, in das sie hineingeboren wurden, ist schon amputiert, aber es schmerzt trotzdem noch. Sonst kann man wenig mit Sicherheit sagen.«
 
Mit einem Gastspiel am 31. Oktober begeben wir uns in das heutige Belgrad: Auf der Bühne zeigt Milan Ramšak Marković CEMENT BEOGRAD (CEMENT BELGRADE), in einer Version von Sebastijan Horvat. Die Beziehung zwischen Trauma und Erinnerung, die politische Demenz, sowie die Konflikte, die in unsere Körper eingeschrieben sind, sind einige der Motive, die diese Auseinandersetzung prägen. Das Stück gewann u.a. den »Mira Trailović« Grand Prix beim 54. Bitef-Festival.
 
Wir laden Sie herzlich ein zu unseren Premieren und Sonderveranstaltungen im September und Oktober und freuen uns darauf, Sie im Gorki begrüßen zu dürfen!
 
Untenstehend finden Sie eine ausführlichere Vorschau auf das Programm mit den hier genannten Highlights. 
 
Beste Grüße
 
Elisa Thorwarth (Referentin Presse- und Kommunikation)
Alexander Ostojski (Referent Presse- und Kommunikation)
Nino Medas (Pressesprecher und Leitung Kommunikation)
 
Presse 
Maxim Gorki Theater Berlin
Am Festungsgraben 2
10117 Berlin
Tel. 030 - 20221 355 / 392
presse@gorki.de
www.gorki.de  
 
 
*********************************************************************************
 
Highlights im September und Oktober:

 
Repertoire
ALLES WIRD SCHÖN SEIN.
Ein Mixtape von Hakan Savaş Mican
22. September., 20:30 Uhr, Studio Я
Von Hakan Savaş Mican
Deutsch mit englischen Übertiteln
 
Regie Hakan Savaş Mican Bühne Alissa Kolbusch Kostüme Sylvia Rieger Musikalische Leitung Peer Neumann Livemusik Merve Akyıldız, Peer Neumann Video Design Sebastian Lempe Dramaturgie Holger Kuhla

Mit Emre Aksızoğlu, Taner Şahintürk

Ein Mann bekommt eine tödliche Diagnose und wird sterben, noch bevor seine Tochter auf die Welt gekommen ist. Also versucht er für sie eine Tonkassette aufzunehmen und fragt sich, ob es überhaupt möglich ist, etwas über den eigenen Tod hinaus zu bewahren. Was bleibt? Enttäuschungen? Sünden? Verletzungen? Ideale? Das Geräusch der Wellen am Schwarzen Meer, die Zombie-Filme der 80er Jahre, ausgeliehen in einer West-Berliner Videothek, die Stimmung in einem Land nach einem Militärputsch? Doch wie soll einer von sich erzählen, der die dunklen Seiten seiner Vergangenheit einfach nur vergessen will, so wie das Land in dem er aufgewachsen ist, die Türkei. Ihm fehlen die Worte, also singt er die Lieder die sein Leben bewegten und wird erzählen, von verdrängten Wahrheiten, die ihn verfolgen, von einem Land das er so liebt, wie er es hasst.

Weitere Vorstellungen: 
5. und 18. Oktober, 20:30 Uhr, Studio Я
 
*********************************************************************************
 
Repertoire
THE SITUATION
24. September, 19:30 Uhr, Bühne
Von Yael Ronen & Ensemble
Auf Englisch, Deutsch, Hebräisch und Arabisch und mit deutschen und englischen Übertiteln
 
Regie Yael Ronen Bühnenbild Tal Shacham Kostüme Amit Epstein Musik Yaniv Fridel, Ofer Shabi Licht Jens Krüger

Mit Maryam Abu Khaled, Mazen Aljubbeh, Karim Daoud, Orit Nahmias, Dimitrij Schaad, Yousef Sweid
 
Wer auf Hebräisch oder Arabisch die politische Lage im Nahen Osten beschreiben will, spricht schlicht von »The Situation«. In den letzten Jahren hat es viele Menschen mit »Situation«-Hintergrund nach Berlin verschlagen. Einst hielt der Konflikt ihre Leben auseinander, nun treffen sie in der deutschen Hauptstadt aufeinander. 
 
Hausregisseurin Yael Ronen versetzt ihre neueste Stückentwicklung am Gorki in einen Neuköllner Deutschkurs. Die Kursteilnehmenden verbindet, dass sie in den letzten Jahren nach Berlin gekommen sind. Aus Syrien, wo seit 2011 Krieg herrscht. Aus Israel und Palästina, wo das politische sowie soziale Klima immer militanter wird. Kein Wunder also, dass im Kurs von Deutschlehrer Stefan die deutsche Grammatik das kleinste Problem ist. 

Yael Ronen und die Schauspieler*innen, die aus Syrien, Palästina und Israel nach Berlin gekommen sind, setzen sich mit den paradoxen Wiederbegegnungen ihrer »Nachbarn« sowie mit den Geistern ihrer Vergangenheit auseinander.
 
*********************************************************************************
 
6. BERLINER HERBSTSALON
LOST – YOU GO SLAVIA
Theatre / Exhibition / Performance / Lecture / Talk / Cinema and more
28. September – 10. Dezember 2023
 
Curated by Shermin Langhoff & Oliver Frljić with Johannes Kirsten Co-Curator Erden Kosova Assistant Curator Gabriela Seith Scenography Pia Grüter Curatorial Assistance Nele Lindemann, Theresa Welge Scenography Assistants Alice Faucher, Ronja Bendel, Ruby Wisdom
 
Nach dem Angriff Russlands auf die gesamte Ukraine am 24/Februar 2022 war immer wieder die Rede vom ersten Krieg in Europa seit 1945. Was? Wurde da nicht etwas vergessen? Unsere Freund*innen und Kolleg*innen aus dem ehemaligen Jugoslawien rieben sich verwundert die Augen und diejenigen von uns, die sich erinnern können und wollen, haben die Namen Osijek, Vukovar, Srebrenica, Sarajevo und Omarska im Ohr genauso wie wir heute die Namen Bucha, Irpin, Cherson, Bachmut und Mariupol nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Und ist das nicht wiederum zu eurozentrisch gedacht? Geht es nicht gerade um viel globalere Fragen? Was tun? Wie begegnen wir all den Krisen bei uns und in der Welt? Diese Fragen des 6. Berliner Herbstsalons standen bereits über dem Prolog im Frühling GEZİ – TEN YEARS AFTER. Jetzt im zweiten Teil LOST – YOU GO SLAVIA schauen wir, was der blutige Zerfall Jugoslawiens mit dem Heute zu tun hat. Staatsgebilde zerfallen nicht einfach so. Das sahen wir vor 30 Jahren, das sahen wir 2008 in Georgien, 2011 im Sudan und seit 2014 in der Ukraine. Und was hat unsere Politik, unsere Geschichte, unser Nichtwissen mit all dem zu tun?
 
Öffnungszeiten der Ausstellungen:
Di–Do 18:00–22:00 Uhr
Fr–So 14:00–22:00 Uhr
 
Detaillierte Informationen finden Sie hier im Magazin.

 
*********************************************************************************
 
Premiere
FRANKENSTEIN ODER DAS VERLORENE PARADIES
28/September, 19:00 Uhr, Bühne
Ein Projekt von Oliver Frljić
 
Nach Mary Shelley Regie Oliver Frljić Bühne Igor Pauška Kostüme Katrin Wolfermann Musik Daniel Regenberg Dramaturgie Clara Probst, Johannes Kirsten
 
Mit Doğa Gürer, Vidina Popov, Alexandra Sinelnikova, Mehmet Yılmaz
 
»Du bist mein Schöpfer, doch ich bin dein Herr – gehorche!«
 
In einer düsteren Novembernacht gelingt Frankenstein, woran er seit Jahren unerschöpflich gearbeitet hat: Er erweckt ein künstliches Wesen zum Leben. Doch kaum öffnet die namenlose Kreatur ihre Augen, erfasst Frankenstein blankes Entsetzen: Das Geschöpf lässt sich nicht kontrollieren, es überflügelt seinen Schöpfer. Während Frankenstein sich als Erzeuger unwiderruflichen Übels wähnt und die Kreatur verbannen will, fordert diese Zugehörigkeit und Teilhabe ein. Statt eines gefallenen Engels will sie der Adam sein; diesen Wunsch ließe sie sich nicht verwehren, sie sei schließlich stärker als ihr Schöpfer …
 
Heute sind künstliche Intelligenzen, deren Rechenleistungen die der Menschen um ein Vielfaches übersteigen, längst allgegenwärtig; wir stehen vielleicht schon an der Schwelle hin zu einem künstlichen Bewusstsein. Lässt sich angesichts dieser Entwicklungen und der ungebremsten menschenverschuldeten Klimakatastrophe am anmaßenden Selbstverständnis der Sapiens als Krone der Schöpfung festhalten?
 
Mit Mary Shelleys 1818 entstandenem Werk Frankenstein beleuchtet Oliver Frljić das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf und fragt, ob wir wirklich bereit sind, die Hybris, dass die Evolution mit dem Sapiens beendet sei, aufzugeben. Und wenn ja, mit welchen Konsequenzen für unser Selbstverständnis?
 
Weitere Vorstellungen: 
29. September, 19:30 Uhr, Bühne
18. und 23. Oktober, 19:30 Uhr, Bühne
 
********************************************************************************* 
Premiere
EINE NIERE HAT NICHTS MIT POLITIK ZU TUN
gespenster des totaliautaripostkommupseudoeurasiismus

28. September, 21:00 Uhr, Studio Я
Performance von Marina Frenk, The Disappointalists

Regie & Komposition Marina Frenk Komposition Paul Brody Livemusik Christian Dawid, Paul Brody, Lisa Hoppe Bühne Alissa Kolbusch, Felix Remme Kostüme Marina Frenk Dramaturgie Johannes Kirsten

»Das Problem besteht nicht darin, dass der Mensch in einer Welt des Absurden und des Schmerzes lebt – das Problem ist, dass wir uns davon zu überzeugen versuchen, dass dem nicht so sei.« (Stanislav Aseyev)
Warum tut der Mensch, der denken kann, seinem Mitmenschen Isolation, Folter und Erniedrigung an? Kann jemand, der frei denken kann, einem anderen so etwas antun? Kann ich wirklich frei denken und wer kann das? Marina Frenk und die Band The Disappointalists begeben sich in einer installativen Zelle auf eine klingende innere Reise in die »Ideen« des totaliautaripostkommupseudoeurasiistischen Raums. Wie denkt sich eine »Neue Welt« in den osteuropäischen Ländern und auch in Russland in Anbetracht einer »Russischen Welt«, in der nach der Meinung des rechten Philosophen Alexander Dugin »die Idee der universellen Menschenrechte nichts Universelles an sich hat«?

Weitere Vorstellungen:
30. September, 20:30 Uhr, Studio Я
4. und 21. Oktober, 20:30 Uhr, Studio Я

*********************************************************************************
 
Uraufführung
MOTHERS – A SONG FOR WARTIME
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
29. September, Teatr Powszechny Warschau / Im November am Gorki
In Polnisch, Ukrainisch, Belarussisch mit englischen Übertiteln

Konzept & Regie Marta Górnicka Libretto Marta Górnicka & The Chorus of Women Musik Marta Górnicka, Wojciech Frycz Choreografie Evelin Facchini Bühne Robert Rumas Kostüme Joanna Załęska Dramaturgie Olga Byrska, Maria Jasińska Video Michał Rumas, Justyna Orłowska, Michał Jankowski 

Produktion Łukasz Jaskuła, Fundacja Chór Kobiet, Iwa Ostrowska, Marta Kuźmiak, Magdalena Płyszewska, Katarzyna Jaźnicka

Mit Katerina Aleinikova, Svitlana Berestovska, Sasha Cherkas, Palina Dabravoĺskaja, Katarzyna Jaźnicka, Ewa Konstanciak, Liza Kozlova, Anastasiia Kulinich, Natalia Mazur, Kamila Michalska, Hanna Mykhailova, Darya Novik, Valeriia Obodianska, Svitlana Onischak, Yuliia Ridna, Maria Robaszkiewicz, Polina Shkliar, Aleksandra Sroka, Kateryna Taran, Bohdana Zazhytska, Elena Zui-Voitekhovskaya
 
Chorus of Women Stiftung: Marta Kuźmiak, Iwa Ostrowska, Katarzyna Koślacz
 
Die Kriegsrituale der Gewalt gegen Frauen ändern sich nie. Aus den Berichten ukrainischer, belarussischer und polnischer Mütter und Kinder, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, kreiert die polnische Regisseurin und Gründerin des Political Voice Institute, Marta Górnicka, ein Chortheaterstück. 
 
Dabei setzt sie gemeinsam mit der Gruppe ukrainischer, polnischer und belarussischer Frauen verschiedener Generationen deren Erfahrungen der Gegenwart in Bezug zu dem traditionellen ukrainischen Ritualgesang Shchedrivka / Щедрівка. In Mothers – A Song for Wartime suchen sie nach einer neuen, rituellen, post-operatischen Chorstimme, die sich auf Frauenchöre aus dem siebten Jahrhundert vor Christus bezieht. Ihr Gesang wird zu einer Anklage, einem Ruf, einer Bitte, einer Warnung. Ukrainische Kinderspiele, traditionelle Lieder, Zaubersprüche, Gedichte, Wünsche und politische Aussagen treffen darin aufeinander, in der Hoffnung, dass das Geäußerte in Erfüllung gehen möge. Diese rituell-melodischen Wünsche richten sich nun an alle Menschen, für eine neue, hoffnungsvolle Zeit, für eine Zeit von der wir hoffen, dass sie ein Leben lang dauert.

Weitere Vorstellungen: 
3. und 4. November, 19:00 Uhr, Bühne
 
*********************************************************************************
 
Film
QUO VADIS, AIDA?
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
30. September, 19:30 Uhr, Bühne
Von Jasmila Žbanić
 
Bosnien, Juli 1995. Aida (Jasna Ðuriči) ist Übersetzerin für die UN-Truppen die in der Kleinstadt Srebrenica stationiert sind. Als serbische Milizen die Stadt einnehmen, gehört ihre Familie zu den Tausenden von Menschen, die im UN-Lager Schutz suchen. Als Dolmetscherin in den Verhandlungen hat Aida Zugang zu entscheidenden Informationen. Sie versucht dabei, Lügen und Wahrheiten auseinanderzuhalten, um herauszufinden, wie sie ihre Familie und Mitbürger*innen retten könnte.
 
 
*********************************************************************************
 
Talk
QUO VADIS, YUGOSLAVIA?
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
30. September, 21:30 Uhr, Bühne
Moderation Boris Buden
Mit Danica Dakić, Selma Spahić, Milica Tomić, Jasmila Žbanić
 
Wie kann die Kunst dazu beitragen, die Kontinuität des Konflikts zu erkennen, wenn die Politik dies versäumt? Obwohl die Jugoslawienkriege vor mehr als 25 Jahren beendet wurden, prägt ihr Erbe noch immer die sozialen und politischen Realitäten in den postjugoslawischen Gesellschaften. In der Podiumsdiskussion erörtern die Künstlerinnen, die sich in ihren Werken mit konservativer Geschlechterpolitik, Geschlechternormen und Feindschaftskonstruktionen auseinandersetzen, die durch den Krieg entstanden sind und verstärkt wurden, diese Fragen aus weiblicher Sicht.
 
*********************************************************************************
 
Ausgezeichnet mit dem Friedrich-Luft-Preis 2023
DSCHINNS
1. Oktober, 19:30 Uhr, Bühne / Anschließend Preisverleihung Friedrich-Luft-Preis 
Von Fatma Aydemir

Regie Nurkan Erpulat Bühnenfassung Nurkan Erpulat, Johannes Kirsten Bühne Gitti Scherer Kostüme Turgut Kocaman Musik Anthony Hüseyin Post Produktion Sound Matthias Anton Lichtdesign Ernst Schießl Dramaturgie Johannes Kirsten Choreografie Assistenz Sofia Pintzou
 
Mit Melek Erenay, Aysima Ergün, Doğa Gürer, Taner Şahintürk, Çiğdem Teke, Anthony Hüseyin
 
»Und nun hast du es endlich geschafft. Du bist neunundfünfzig und Eigentümer. Wenn in ein paar Jahren Ümit die Schule beendet und du endlich Deutschland, dieses kalte, herzlose Land, verlassen kannst, dann gibt es diese Wohnung hier mit deinem Namen auf dem Klingelschild.«
Ende der 1990er Jahre. Eine Wohnung in Istanbul. Ein Tod. Hüseyin hat dreißig Jahre in Deutschland hart gearbeitet, um seinen Lebensabend in einer Eigentumswohnung zu verbringen. Allein in der Wohnung, alles für den Einzug vorbereitend, stirbt er an einem Herzinfarkt. Die Familie kommt zur Beerdigung zusammen. Da sind die Kinder Sevda, Hakan, Peri und Ümit und da ist Emine, die ihr ganzes Leben an der Seite Hüseyins verbrachte. Aber was ist eigentlich eine Familie? Ist man, nur weil man dieselben Eltern hat, wirklich miteinander verbunden? Was weiß man voneinander und was nicht? Was sind die unausgesprochenen Dinge? Was wird verschwiegen und ist trotzdem immer da? Fatma Aydemir lotet in ihrem Roman Dschinns das, was wir Familie nennen, aus. Immer wieder spielen die Geschehnisse der Zeit in das Erzählte hinein, bilden den Unterstrom einer Geschichte, die in ihrer Intensität überwältigt. Und immer ist da die Ahnung, dass alles doch von dunklen Geheimnissen bestimmt ist
 
Weitere Vorstellung:
13. Oktober, 19:30 Uhr, Bühne
*********************************************************************************
 
Gastspiel
MOJA FABRIKA (MY FACTORY)
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
3. Oktober, 19:30 Uhr, Bühne
Auf Grundlage des Buches von Selvedin Avdić
Auf Bosnisch, Kroatisch, Serbisch mit englischen Übertiteln

Regie Selma Spahić Fassung & Dramaturgie Emina Omerović, Bojana Vidosavljević, Selma Spahić
 
Mit Benjamin Bajramović, Lana Delić, Saša Handžić, Anđela Ilić, Predrag Jokanović, Sabina Kulenović, Adis Mehanović, Selma Mehanović, Miroljub Mijatović, Nusmir Muharemović, Zlatan Školjić, Miki Trifunov, Siniša Vidović
 
Das Schicksal verfallener Industriestädte scheint universell – vernachlässigte Großflächen, die mangels behördlicher Vorstellungskraft ungenutzt bleiben sowie hohe Arbeits- und Orientierungslosigkeit. 1892 wurden veraltete, amortisierte Maschinen aus österreichischen Fabriken in eine kleine Stadt in Zentralbosnien gebracht und die Eisen- und Stahlgewerkschaft Zenica gegründet. Was später als Željezara Zenica (Eisenwerk Zenica) bekannt werden sollte, wurde zum bedeutendsten Industriesymbol im ehemaligen Jugoslawien. Das Theaterstück MY FACTORY in der Regie von Selma Spahić basiert auf dem gleichnamigen Buch von Selvedin Avdić, einer intimen Monografie über die Stadt und ihr Eisenwerk, dessen Stellenwert so besonders ist, dass die Bürger Zenicas die Fabrik »Mutter« nennen. Doch in den Jahrzehnten, größter Produktionssteigerung (und Umweltverschmutzung) hassten sie sie vehement. Das Stück zeichnet ein facettenreiches Bild Zenicas anhand seiner Geschichte.
 
 
Weitere Vorstellung:
4. Oktober, 18:30 Uhr, Bühne
 
*********************************************************************************
 
Wiederaufnahme | Stück des Jahres 2023
BÜHNENBESCHIMPFUNG
(Liebe ich es nicht mehr oder liebe ich es zu sehr?)

7. & 8. Oktober, 19:30 Uhr, Bühne
Von Sivan Ben Yishai
 
Regie Sebastian Nübling Übersetzung Maren Kames Bühne & Kostüme Amit Epstein Musik Lars Wittershagen Dramaturgie Valerie Göhring
 
Mit Christian Bojidar, Sofian Doumou, Zari Eder, Aysima Ergün, Nele Jochimsen, Bashar Kanan, Vidina Popov, Till Wonka, Mehmet Yılmaz
 
Die Autorin Sivan Ben Yishai ist eine der wichtigsten Stimmen auf zeitgenössischen Theaterbühnen. Con/tempus (zeitgenössisch), bedeutet, in der Gegenwart zu existieren oder vorzukommen / mit anderen in der Zeit zu sein – was in gewisser Weise die Forschungsfrage dieses neuen Textes ist. Am Maxim Gorki Theater wurden ihre Stücke Die Geschichte vom Leben und Sterben des neuen Juppi Ja Jey Juden, Papa liebt dich und Oder: Du verdienst deinen Krieg (Eight Soldiers Moonsick) uraufgeführt. Jetzt schaltet sie ihren Blick von der Hinter¬bühne – sie schreibt für die Institution, in der Institution. Ihr neues Stück Bühnenbeschimpfung (Liebe ich es nicht mehr oder Liebe ich es zu sehr?) bestehend aus den Teilen »Der Körper als Institution«, »Der Theaterabend als Institution« und »Die Zukunft auf einem angrenzenden Areal wiedererrichtet«, beschäftigt sich auf radikale Weise mit der Institution Theater – und wächst dabei (wortwörtlich) weit über und aus dieser hinaus. Nach zwei Jahren, in denen die Theatersäle leer und unbesucht blieben, ist Bühnenbeschimpfung eine offene Operation am Körper der Institution. Sivan Ben Yishai benutzt die Institution des Theaters als Ausgangspunkt, um grundlegende Fragen über Macht, Autokratie und die Bühne, Gehorsam, Zuschauerschaft und Widerstand zu stellen, und die Art und Weise, wie sie im Körper, im Theaterabend, im Theater selbst zum Vorschein kommen.
 
Eingewebt in diese Betrachtungen ist ein multiperspektivischer Chor, mit Stimmen von Masha Gessen, Donna Haraway, Michel Foucault, Paul B. Preciado, Ta-Nehisi-Coates und vielen anderen – die uns vielleicht nicht retten können – aber was wäre wenn doch? Regie führt der langjährige Hausregisseur Sebastian Nübling, der schon viele zeitgenössische Autor*innen auf die Bühne brachte, und anhand des Textes untersuchen wird, was politisches Theater heute sein kann und welche Versuche vergangene Generationen gemacht haben, um die gesellschaftlichen Strukturen mittels Theater zu verändern und aufzubrechen.

 
*********************************************************************************

Gastspiel
KAO I SVE SLOBODNE DJEVOJKE (ALL ADVENTUROUS WOMEN DO)
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
12. Oktober, 19:30 Uhr, Bühne
Von Tanja Šljivar
Auf Bosnisch, Kroatisch, Serbisch mit englischen Übertiteln
 
Regie Selma Spahić Dramaturgie Dimitrije Kokanov Choreografie Ana Dubljević Bühne Zorana
Petrov Kostüme Selena Orb Komponist Draško Aždić Video Staša Bukumirović Lichtdesign Radomir Stamenković Sounddesign Dragan Stevanović

Mit Milica Mihajlović, Ana Mandić, Jelena Stupljanin, Ermin Bravo, Marko Grabež, Marta Bjelica, Manja Aleksić, Vera Jovanović
 
Es gibt Geschichten aus dem echten Leben, die beinahe zu unwirklich für die Bühne erscheinen. So ist es auch mit der Geschichte einer sogenannten »kollektiven Schwangerschaft« in Bosnien und Herzegowina aus dem Jahr 2014, als sieben 13-jährige Mädchen schwanger von einem Schulausflug zurückkehrten. Die Mädchen wurden von fast allen Teilen der Gesellschaft - Eltern, Lehrenden, Ärzt*innen, der Kirche und den Medien - verurteilt und zurückgewiesen. Sie wurden zum Schweigen gebracht und so behandelt, als sei es ein moralisches Versagen ihrerseits, dass sie keinen Zugang zu angemessener Sexualerziehung und reproduktiver Gesundheitsfürsorge hatten. Sie sprachen in der Öffentlichkeit nicht über ihre Situation, aber scheinbar alle anderen sprachen über sie. In Kao i sve slobodne djevojke (All Adventurous Women Do) erzählt die Dramatikerin Tanja Šljivar von der Kluft zwischen den Generationen und die Folgen der Vernachlässigung der Jugend durch die alternde Generation. Während sie die Frage nach Last und Verantwortung, die der Jugend zugeschrieben wird, aufwerfen, zeigen die bosnische Regisseurin Selma Spahić und das Ensemble das Ausmaß der Vernachlässigung und des erzwungenen Schweigens von jungen Menschen in der Region.
 
 
*********************************************************************************
 
Premiere
WHILE HISTORY WRITES ITSELF
Szenische Lesungen
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
27. Oktober, 21:00 Uhr, Studio Я
Leitung von Sasha Marianna Salzmann und Anastasiia Kosodii
Auf Deutsch mit englischen Übertiteln
 
Mit Texten von Julia Cimafiejeva, Davit Gabunia, Natalia Graur, Kateryna Penkova, Ivana Sajko, Anastasiia Kosodii, Marta Górnicka & Tanja Šljivar

In der von Sasha Marianna Salzmann initiierten Schreibwerksatt While History Writes Itself haben die Autor*innen Julia Cimafiejeva, Davit Gabunia, Natalia Graur, Kateryna Penkova, Ivana Sajko, Tanja Šljivar und Marta Górnicka unter der Leitung von Anastasiia Kosodii seit Januar untersucht, wie ein Schreiben für das Theater im Angesicht der grausamen Realität möglich ist. Aus dem postjugoslawischen und dem postsowjetischen Raum kommend, tauschten sie sich aus über politische Parallelitäten ihrer Herkunftsländer in Hinblick auf zerfallene Staatenbünde, über historische Kontinuitäten und Brüche, über persönliche Perspektiven. In szenischen Lesungen, eingerichtet von Regisseur*innen, die aus denselben Regionen kommen, werden die entstandenen Texte im Studio Я präsentiert.
 
27/28/OKTOBER

Extremist*innen von Julia Cimafiejeva, Regie Sasha Marchenko
Barbarians of the Onion Variety von Kateryna Penkova, Regie Olena Apchel
Nationaltheater: Ein Stück (National Theatre: A Play) von Tanja Šljivar, Regie Oliver Frljić
 
3/4/NOVEMBER
How I Fell in Love With an Oligarch’s Daughter von David Gabunia, Regie Data Tavadze
Now You're Not Just a Body for Me von Natalia Graur, Regie Roza Sarkisian
Rieffenstahl.UA Text & Regie Anastasiia Kosodii
This Is Not a Performance About Your Beauty Text, Regie & Performance Ivana Sajko
 
*********************************************************************************
 
Premiere
IM MENSCHEN MUSS ALLES HERRLICH SEIN
27. Oktober, 19:00 Uhr, Bühne
Von Sasha Marianna Salzmann
 
Regie
Sebastian Nübling Bühne & Kostüme Evi Bauer Musik Jaqueline Poloni Dramaturgie Valerie Göhring
 
Mit Lea Draeger, Yanina Cerón, Anastasia Gubareva, Çiğdem Teke
 
Der Roman Im Menschen muss alles herrlich sein von Sasha Marianna Salzmann erzählt vom Zerfall eines politischen Systems, von gesellschaftlichen Umbruchzeiten und deren Auswirkungen auf die Lebenswege von den zwei Freundinnen Lena und Tatjana, die in den 90ern die Ukraine verließen und in Jena strandeten, und ihren Töchtern Edita und Nina – die auf je eigene Weise versuchen in der Gegenwart mit dem nahezu unbekannten Erbe ihrer Mütter, mit dem Zerfall des Kolosses Sowjetunion und seinen Nachwirkungen, umzugehen. Über unterschiedliche Umwege, durch Gespräche mit Verwandten, durch Bücher, durch die Arbeit, durch Recherchen im Internet erkennen die Töchter erst nach und nach, was ihre Mütter (und Großmütter) zu den Frauen gemacht hat, die sie heute sind – und stoßen dabei auf zahlreiche unbekannte Flecken, auf Schönes und Schreckliches, auf Vergessenes, auf Verdrängtes, auf Schweigen. »Das Land, in das sie hineingeboren wurden, ist schon amputiert, aber es schmerzt trotzdem noch. Sonst kann man wenig mit Sicherheit sagen.« Ist es noch möglich, fragt sich Nina, mit der eigenen Mutter nicht in der Vergangenheit zu sprechen oder in der Zukunft? Ihr in die Augen zu schauen nur im Jetzt? Sich nicht mehr vorwerfen, was war, oder beklagen, was niemals sein wird? Aber je näher sie herantreten, desto unschärfer scheint das Bild zu werden, desto mehr Fragen tauchen auf.

In der Reihe »Was mich bewegt« der NZZ, in der wichtige Stimmen der internationalen Literaturszene zu Wort kommen, schreibt Sasha Marianna Salzmann: »›Geheimnisse‹ nennt sich ein ukrainisches Spiel bei dem Kinder ein Loch in die Erde buddeln, alles Bunte hineinwerfen, was sie finden können – blühende Blumen, glänzende Steine, grelle Haargummis, schimmernde Puppenkleidung -, dann legen sie eine Glasscheibe über die Grube, bedecken sie mit Erde und laufen davon. Erst wenn sie sich unbeobachtet fühlen, kehren sie zurück, legen die Stelle wieder frei und betrachten durch das Glas ihre geheimen Schätze.« Nach diesem Spiel hat eine der markantesten Stimmen der heutigen Ukraine, Oksana Sabuschko, ihren 2009 erschienenen Roman benannt: Museum der vergessenen Geheimnisse. Sabuschko führt dieses Spiel auf jene Zeit zurück, als die Bolschewiken die Macht in der Ukraine übernahmen und sich die Menschen gezwungen sahen, ihre Ikonen zu vergraben oder ihren Schmuck, eben alles, was ihnen teuer war. Als Sabuschko ein paar Jahre später gefragt wurde, ob es überhaupt sinnvoll sei, die lange verborgenen ukrainischen Geheimnisse auszugraben, antwortete sie, das sei die eigentliche Frage in der ukrainischen Gesellschaft seit der Unabhängigkeit des Landes. Immerhin lebten mindestens zwei Generationen mit dem Schweigen. Das Wesen eines Geheimnisses ist, dass man ahnungslos bleibt, wer sonst noch Bescheid weiß und worüber genau. Auch ob man selbst die ganze Geschichte kennt und ob sie der Wahrheit entspricht, bleibt einem verborgen. Wenn es sich dabei, wie im Fall der Ukraine, um ein historisches Ereignis, um einen Genozid, handelt, dann ist das Geheimnis Teil einer kollektiven Erfahrung, die wie Lava unter einer Kruste des Schweigens fließt.« Der Roman Im Menschen muss alles herrlich sein lässt Raum für diese Geheimnisse – und findet eine Sprache, für die Fragen, die gestellt werden sollten.
 
Regisseur Sebastian Nübling und Autor*in Sasha Marianna Salzmann verbindet eine sehr lange Zusammenarbeit, er hat bereits am Maxim Gorki Theater Salzmanns ersten Roman Ausser sich uraufgeführt.
 
Weitere Vorstellung:
29. Oktober, 19:30 Uhr, Bühne
 
*********************************************************************************
 
Gastspiel
CEMENT BEOGRAD (CEMENT BELGRADE)
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
31. Oktober, 19:30 Uhr
Von Milan Ramšak Marković
Bosnisch, Kroatisch, Serbisch mit Englischen Übertiteln
 
Regie Sebastijan Horvat Dramaturgie Milan Ramšak Marković Bühne & Video Igor Vasiljev Kostüme Belinda Radulović Musik Drago Ivanuša Choreografie Ana Dubljević Licht Aleksandar Čavlek
 
Mit Milena Zupančič, Miodrag Miki Krstovic, Bojana Stojković, Milan Zarić, Ivan Zablaćanski, Isidora Simijonović, Marija Pikić, Nedim Nezirović

Zement ist ein Text in Aufruhr: Ausgehend von den revolutionären Umbruchzeiten in der UdSSR der 1920er Jahre, über den Kampf zwischen den emanzipatorischen Bestrebungen seiner Figuren und ihrer Verankerung in traditionellen Familienverhältnissen, wendet er sich der Liebesbeziehung der Hauptfiguren Dascha und Gleb Tschumalow zu. Damit wird der Einfluss der gesellschaftlichen Verhältnisse auf die intimste Ebene heruntergebrochen.
Inspiriert vom ostdeutschen Dramatiker Heiner Müller spielt das Stück von Sebastijan Horvats, das er mit Milan Ramšak Marković erarbeitete, im heutigen Belgrad. Die Beziehung zwischen Trauma und Erinnerung, die politische Demenz, sowie die Konflikte, die in unsere Körper eingeschrieben sind, sind einige der Motive, die diese Arbeit prägen. Das Stück gewann den »Mira Trailović« Grand Prix beim 54. BITEF-Festival, und Miodrag Krstovic gewann den »Raša Plaović«-Preis in der Kategorie »Bester Schauspieler« der Belgrader Theater 2020/2021.
 
*********************************************************************************
Ausstellung
FOUR FACES OF OMARSKA
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
Von Milica Tomić
Mit Amel Bešlagić, Anousheh Kehar & Philipp Sattler
 
Four Faces of Omarska ist eine investigative Gedenkpraxis und eine Plattform, die sich mit den Strategien der Gedenkstättenproduktion anhand von Erfahrung und Wissen, das unterdrückt, abgelehnt und aus der öffentlichen Erinnerung und Geschichte ausgeschlossen wurde, beschäftigt. Sie fragt, wie ein Ort der Gräueltaten zu einem Ort des Lernens auf der Grundlage von Solidarität und Gleichheit wird.
 
Diese neueste Ausgabe von Four Faces of Omarska, die im Zuge des 6. Berliner Herbstsalon zum ersten Mal gezeigt wird, rückt die post-genozidale, ethnisch-gesellschaftliche Spaltung in den Mittelpunkt und zeigt, wie das politische Erbe des Krieges durch globale wirtschaftliche Investitionen fortgeschrieben wird. Sie untersucht die Architektur und noch unerforschte, neue Erscheinungsformen von Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern, die zu Beginn des Krieges in Jugoslawien entstanden und durch neue Formen der Urbanität, Wirtschaft und Sozialisierung während des Übergangs nach dem Krieg fortbestehen. Diese Ausgabe unterstreicht außerdem die Anerkennung von Vergewaltigungen in Kriegszeiten als Kriegsverbrechen nach internationalem Recht.
 
*********************************************************************************
 
Ausstellung
ZENICA TRILOGIE 2019 & VEDO 2023
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
Von Danica Dakić
 
Die Ausstellung zeigt Danica Dakićs Werkreihe Zenica Trilogie sowie die Neuproduktion Vedo, die im Berliner Herbstsalon 2023 ihre Premiere hat.
 
Mit dem Projekt Zenica Trilogie vertrat Danica Dakić 2019 den Pavillon Bosnien und Herzegowinas bei der 58. Internationalen Biennale in Venedig. In der Ausstellung geht sie den Utopien der Stadt Zenica (dt. »Pupille«) nach, die als aufstrebendes Zentrum der Industrialisierung im sozialistischen Jugoslawien galt und ein architektonisches Musterbeispiel einer modernen Großstadt war. Seit dem Bosnienkrieg erlebt Zenica in Form extremer Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit und kollektiver Resignation die Kehrseite der Moderne. Zusammen mit den Protagonisten aus Zenica fragt die Künstlerin nach den Träumen und Handlungsräumen der Einzelnen. Walter Gropius’ »Totaltheater« dient dabei als Inspiration für die Aufhebung der Grenze zwischen Bühne und Publikum, zwischen Realem und Imaginiertem. Zenica Trilogie war nach der Premiere in Venedig auch im Bauhaus-Museum Weimar zu sehen.
 
Zenica Trilogie besteht aus drei Videoarbeiten: Čistač/The Cleaner, Zgrada/The Building und Scena/The Stage sowie der Grafikmappe Zenica Mapa/The Portfolio. 
 
Auch das Video Vedo von 2023 spricht von Träumen und Handlungsräumen der Einzelnen. In Endlosschleife hört man ein im ehemaligen Jugoslawien bekanntes Lied aus dem Zweiten Weltkrieg, Durch Wälder und über Berge. Das Lied, entstanden im Russischen Bürgerkrieg, verbreitete sich international als Hymne der Partisanen. Der Junge, der zwischen den leeren Gleisen diesen Marsch auf einer alten Ziehharmonika spielt, kommt nicht von der Stelle. Am Hauptbahnhof von Sarajewo fahren heute nur wenige Züge, die internationalen Verbindungen sind fast eingestellt. Der winterlichen Situation setzt Vedo seine Musik entgegen wie eine Utopie.

*********************************************************************************
 
Ausstellung
PJEVAJ! (SING!)
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon LOST – YOU GO SLAVIA
Von Mladen Stilinović
 
In der Arbeit PJEVAJ! (SING!) 1980, ist ein schwarz-weißes Porträt des Künstlers auf rotem Stoff befestigt. Ein 100-Dinar-Schein ist auf die Stirn des Künstlers geklebt. Unter dem Foto ist in roter Schrift der Hinweis »Pjevaj! (Sing!)« in roten Lettern gedruckt. Das Bild bezieht sich auf die Tradition, auf einen Geldschein zu spucken und ihn auf die Stirn von öffentlichen Entertainern wie Straßenmusikern zu kleben. Dieses Ritual beruht auf einem bestimmten Machtverhältnis. Identifiziert Stilinović hier die Position des Künstlers mit der des Straßenmusikers? Dann spielt er möglicherweise auf den Status des zeitgenössischen Künstlers im Jahr 1980 in der jugoslawischen Gesellschaft an; manchmal geduldet, manchmal gebraucht, aber auch nicht wirklich respektiert.
 
*********************************************************************************