Es gibt Geschichten aus dem echten Leben, die beinahe zu unwirklich für die Bühne erscheinen. So ist es auch mit der Geschichte einer sogenannten »kollektiven Schwangerschaft« in Bosnien und Herzegowina aus dem Jahr 2014, als sieben 13-jährige Mädchen schwanger von einem Schulausflug zurückkehrten. Die Mädchen wurden von fast allen Teilen der Gesellschaft – Eltern, Lehrenden, Ärzt*innen, der Kirche und den Medien – verurteilt und zurückgewiesen. Sie wurden zum Schweigen gebracht und so behandelt, als sei es ein moralisches Versagen ihrerseits, dass sie keinen Zugang zu angemessener Sexualerziehung und reproduktiver Gesundheitsfürsorge hatten. In der Öffentlichkeit wurden ihre Stimmen nicht gehört, aber scheinbar sprachen alle anderen über sie.
In Kao i sve slobodne djevojke (All Adventurous Women Do) lässt die Dramatikerin Tanja Šljivar die Jugendlichen selber sprechen: Sie reden von der Kluft zwischen den Generationen und die Folgen der Vernachlässigung der Jugend durch die alternde Generation. So entsteht ein vielstimmiger Chor: Radikal wird Selbstbestimmung eingefordert und demonstriert, dass es egal ist, aus einer Gesellschaft ausgestoßen zu werden, der man nie angehört hat. Während sie die Frage nach Last und Verantwortung, die der Jugend zugeschrieben wird, aufwerfen, zeigen die bosnische Regisseurin Selma Spahić und das Ensemble das Ausmaß der Vernachlässigung und des erzwungenen Schweigens von jungen Menschen in der Region.
Auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch mit englischen Übertiteln
Mit Milica Mihajlović, Ana Mandić, Jelena Stupljanin, Ermin Bravo, Marko Grabež, Marta Bjelica, Manja Aleksić, Vera Jovanović
Einführung auf Englisch durch den Dramaturgen Dimitrije Kokanov.
Q&A auf Englisch mit Selma Spahić (Regie), Tanja Šljivar (Autorin), Dimitrije Kokanov (Dramaturg)
Ein Gastspiel des Belgrader Theater Atelje 212.
Foto: Bosko Djordjevic
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon 2023 LOST – YOU GO SLAVIA