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Dickicht

Chaos in der Riesenstadt Chicago: Der malaiische Holzhändler Shlink tritt in eine Leihbibliothek und will die Meinung des Angestellten George Garga über Bücher abkaufen. Es beginnt ein Kampf ohne Regeln, ohne Moral, ohne Motiv, bei dem die beiden Gegner alles aufs Spiel setzen was sie haben. Shlink nimmt Garga den Arbeitsplatz, zwingt seine Freundin und Schwester zur Prostitution und bringt ihn ins Gefängnis. Damit ruiniert er Gargas Familie nicht nur finanziell, sondern zerstört auch ihren Zusammenhalt. Garga zeigt Shlink wegen der Vergewaltigung seiner Schwester an und initiiert eine Lynchaktion. Es ist eine Schlacht auf Leben und Tod, ein Ringen im Dschungel, in dem man sich scheinbar nur im Kampf nah sein kann.

Baumgartens Arbeiten sind immer von der Arbeit mit verschiedenen Medien geprägt, eine Verbindungslinie zum epischen Theater Bertolt Brechts. In Dickicht experimentiert Baumgarten mit der epischen Spielweise: Das gesamte Stück wurde als Film produziert und auf der Bühne in einen abstrakten Raum übersetzt. In diesem formalen Experiment radikalisiert Baumgarten Brechts Verfremdungseffekt.

»Die Trennung von Bild und Ton ist so virtuos wie verblüffend. Sie verdichtet einerseits die Konflikte und verhindert andererseits die Identifikation mit den Figuren, ganz im Sinne Brechts und seiner Aufforderung: >Glotzt nicht so romantisch!< Was der mit seinem Verfremdungseffekt erzielen wollte – dass Darsteller wie Publikum mitdenken und nicht bloß mitfühlen – verdeutlicht Baumgarten mit aktuellen Mitteln. Das Ensemble folgt ihm dabei bravurös, bleibt aber bei aller Leidenschaft kühl und bei aller Verstandesklarheit euphorisch.« (FAZ, Irene Bazinger)

Premiere: 11. März 2017


Foto: Esra Rotthoff

 

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Team

Besetzung

Lea Draeger

Mateja Meded

Aleksandar Radenković

TANER ŞAHİNTÜRK

Dimitrij Schaad

Norbert Stöß

Thomas Wodianka

Till Wonka

Pressestimmen

»Brechts Rätselstück über die Entstehung der Tragödie aus dem Geist des Boxkampfs wirkt hier so frisch und aggressiv, als wäre es jederzeit bereit, sämtliche andere Theaterformen mit einem schnellen linken Haken auf die Bretter zu werfen.«

 

»Dass diese konsequent durchgehaltene formale Setzung nicht leerläuft, sondern über die zweieinhalb Stunden der Aufführung eine ziemlich faszinierende Sogkraft entwickelt, verdankt sich dem herausragenden Ensemble.«

Süddeutsche Zeitung, Peter Laudenbach

»Brechts metaphysischer Schaukampf hat neben der niederschmetternden Einsicht über die menschliche Dialektik trotzdem nicht unerheblichen Schauwert; zumindest, wenn man ihn wie Sebastian Baumgarten inszeniert. Der Regisseur führt Brechts Wortwut dahin zurück, wo sie herkommt: ins halbverdaute Gebräu aus Medienerfahrungen, die bekanntlich unsere Vorstellungen von Realität ausmachen. […] Der Gorki-Cast wirft sich mit Ehrgeiz ins Genre-Kino zwischen expressionistischem Vampirfilm, Schwarzer Serie und Großstadt-Melodram und balanciert souverän auf der Grenze zwischen Kopie und Parodie. Während die Filmszenen kinoreif auf den Bühnenhintergrund projiziert werden, sitzen die Schauspieler schwarzgekleidet vor der Leinwand und sprechen live ihren Text, was einerseits hervorragend klappt, aber doch immer wieder für ein paar ironisch verfremdende Millisekunden zwischen Bild und Text sorgt.«

Theater heute

»Das Theater schreit bei Brechts „Dickicht“ geradezu nach dem Film! Die Handlung hat tatsächlich etwas von der Frühzeit dieses Genres, als man noch meinte: Hauptsache, es kommt Bewegung in die Bilder, egal wie! Und nun legt Sebastian Baumgarten diesen Nerv wieder frei. Letztlich hat jedes Bild im urbanen Menschenkessel von heuten einen finalen Zweck: Man will etwas damit verkaufen.«

Theater der Zeit

»[…] [Dickicht] hat eine großartige Sprache, wild, heiß, anarcho-expressionistisch. Man hört den jungen Brecht, den größten Lyriker des 20. Jahrhunderts.«

Nachtkritik, Gabi Hift

»Sie stottern […] auf der Bühne, stolpern über ihre eigenen Sätze, rutschen auf den Silben aus, schnappen nach Atem, verschlucken sich, spucken, schreien, stammeln. Vor allem aber flüchten sie in Filmszenen – und werden von diesen wieder ausgespien.«

Berliner Zeitung, Dirk Pilz

»[…] Kann man […] ein neues proletarisches Publikum gewinnen, indem man eine Theateraufführung wie ein Sportereignis strukturiert, nur auf den Moment konzentriert? Sicher haben die frühen Stücke des Boxfans Brecht etwas von diesem Versuch, auch durch die Musikalität der Sprache und ihre expressionistische Energie. Das Haften an dem Augenblick ist eine historisch gewordene Strategie, deren Spur Baumgarten hier noch einmal folgt, mit gutem Gefühl für das Timing und unterstützt vom durchaus witzigen Spiel des Gorki-Ensembles.«

TAZ, Katrin Bettina Müller