Eigentlich ist Elisabeth die Vorgängerin von Erin Brockovich: eine junge Frau, die bodenständig und unbeirrt an ihrer Unabhängigkeit festhält und mit allen Mitteln versucht, eine Job zu finden. Deswegen steht sie auch vor dem Anatomischen Institut, um ihre Organe schon zu Lebzeiten verkaufen und damit den Gewerbeschein als Unterwäscheverkäuferin zu finanzieren. Doch die sozialen Umstände schnüren sie enger ein als jedes Korsett: Missgunst und eine Gesellschaft im gnadenlosen Existenzkampf verstricken die immer verzweifelter agierende Elisabeth in ein prekäres Netz aus Notlügen und Heuchelei.
Das wird eine verregnete Parade / Da wo man die Leichen halt zersägt / Die Welt ist eine Ahnungslosballade / Von Not und Tod sind alle doch geprägt, heißt es in einem Song, den der bekannte Post-Klezmer-Punk-Musiker Daniel Kahn für diese Inszenierung von Hakan Savaş Mican geschrieben hat. Nach Kleiner Mann - was nun? widmet dieser sich erneut einem Sozialdrama, das mit hellsichtiger Eindringlichkeit den gesellschaftlichen Abstieg der normalen Angestellten zu Beginn der dreißiger Jahre skizziert. Mutig und verzweifelt ringen sie um ein anständiges Leben und etwas Liebe, auch wenn der Ort ihrer Träume in immer größere Ferne rückt: In the mountains of Tibet/ How much schöner could it get/ Dort zersägt man kein Skelett/ Dort verkauft man kein Korsett/ in the mountains of Tibet.
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Premiere: 13. Januar 2018
Foto: Esra Rotthoff
Bühnenfotos: Ute Langkafel
»Sesede Terzyian, zu Recht ein Star des Gorki-Theaters, spielt sie (Elisabeth) mit selbstverständlicher Würde und einem leisen Erstaunen über die Hässlichkeit der Menschen.«
»Der Regisseur Hakan Savaş Mican, einer der großen, warmherzigen Geschichtenerzähler des Gegenwartstheaters hat das am Berliner Maxim-Gorki-Theater schön direkt und schlackenfrei inszeniert.«
»Besonders Stark sind vor allem die Nahaufnahmen. Die kann der ausgebildete Filmemacher Hakan Savaş Mican nämlich richtig gut.«
»Glaube Liebe Hoffnung geht immer noch an die Nieren, weil es so gnadenlos-und zeitlos-von der Sackgasse am unteren sozialen Rand erzählt. “Glaube Liebe Hoffnung“ am Maxim Gorki Theater ist ein sympathischer, kurzweiliger, in Teilen berührender Abend.«
»Hakan Savaş Mican hat das Stück auf eine Spieldauer von 90 Minuten zurechtgestutzt. Dadurch bekommt es einen starken Sog. Die Abwärtsspirale dreht sich immer weiter, bis sich Elisabeth am Ende in einen Fluss stürzt. Mican ist inzwischen ein Spezialist für tragisch endende Kleine-Leute-Geschichten. Er hat im Gorki-Theater schon „Kleiner Mann, was nun?“ und „Angst essen Seele auf“ inszeniert- Fassbinder und Fallada. Und auch mit Horváth gelingt ihm eine spannende Inszenierung- sehr emotional, sehr musikalisch und zeitlos aktuell.«
»Hakan Savaş Mican angenehm unzynische Inszenierung bleibt im Zeithorizont der Weltwirtschaftskrise von Ödön von Horváths 1932 erschienenem Drama und auch das expressionistische Hausfassaden-Bühnenbild von Silvia Rieger erinnert an die Ästhetik alter UFA-Klassiker. Und doch blinken Parallelen ins heute auf, etwa wenn Mican sein Figurenpersonal Ressentiment-Phrasen wie von einer Pegida-Demo dreschen lässt. Oder Terziyan inmitten von Daniel Kahns kommentierenden New-Klezmer-Songs ganz selbstverständlich ein berührendes türkisches Lied vom Schicksal anstimmt. Traurig-schön.«
»Starke Bilder sind das, besonders dann, wenn die Worte nicht mehr weiterwissen.«