Auf Haiti tobt die Revolution. Nach über hundert Jahren der Sklaverei kämpft die geknechtete Bevölkerung für ihre Freiheit. Eines Nachts klopft plötzlich der junge Gustav, ein Adeliger aus der Schweiz, an der Haustür von Toni, der Ziehtochter eines der Anführer der Revolution, und bittet um Schutz auf der Flucht vor den Truppen der Revolutionäre ... Toni muss sich entscheiden – keine Zeit für Revolutionsromantik. In seiner kurz nach der französischen Revolution erschienenen Novelle Die Verlobung in St. Domingo (1811), einer dramatischen Lovestory im Setting der Revolution, macht Heinrich von Kleist klare Fronten auf: Weiss gegen Schwarz, Gut gegen Böse, Ordnung gegen Anarchie. Doch wie geht die Geschichte, wenn nicht eindeutig ist, wer Freund und wer Feind der Werte der Aufklärung ist? In seinem neuen Stück hinterfragt Necati Öziri vermeintlich eindeutige Positionen und fügt der Geschichte eine neue Ebene der Opposition hinzu, die eine heutige Diskussion über Gewalt und Gegengewalt anregt.
Premiere am 4. April 2019 im Schauspielhaus Zürich
Trailer ansehen
Hinweis: Bei dieser Inszenierung ist leider kein Nacheinlass möglich für Zuschauer*innen, die verspätet kommen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Foto: © Esra Rotthoff
Bühnenfotos: © Tanja Dorendorf
Koproduktion mit dem Schauspielhaus Zürich
Aufführungsrechte: Theaterverlag Felix Bloch Erben GmbH, Berlin
»Öziri und Nübling haben mehr zu bieten als kritische Assoziationen und schrille Fußnoten: Dynamik und tänzelnde Energie, angefeuert von den Beats von Lars Wittershagens Musik, einen starken, wenn auch mit Revolutionsromantik überladenen Text und ein überzeugendes Regiekonzept. Nübling inszeniert Kleist als Schattentheater und umschifft so elegant Klischees und Darstellungstabus: Alles und nichts ist nur schwarz und weiß, ein hübscher Scherenschnitt auf einer weißen Projektionsfläche. Alle Zuschreibungen von Hautfarbe und Geschlecht sind Tand und Theater.«
»[Nübling] produziert grandioses Schattentheater-Sequenzen, mondrianische Farbkompositionen ziehen vorbei und Live-Cam-Einblendungen.«
»Auch in der Schiffbau-Box gelingt es Nübling elegant und undogmatisch das Schwarzpeterspiel um Gut und Böse zu vermeiden. Er wendet Öziris thesenschweren ›Widerspruch‹ gegen Kleist in eine klare, kluge und kraftvolle Spielanlage, die alles hat, um auch aus politischem Theater Unterhaltungswert zu schlagen. Nüblings Lesart ist ein grosser Rave, eine Love-Parade der Queers, Feministinnen, People of Color – Master oft he Dancefloor ist Lars Wittershagen.«
»[Nübling] zaubert einen Pseudo-Konzert-Beitrag aus seinem Regie-Wunderkasten, lässt ›vorwärtsspulen‹ oder in Slow-Motion verharren und gibt auch sonst seinen Akteuren – hervorstechend Maryam Abu Khaled und Kenda Hmeidan, beide ehemals aus dem Exil Ensemble des Maxim Gorki Theaters – viel Platz für schnelles, genaues, energiegeladenes Spiel.«
»In Sebastian Nüblings Uraufführungsinszenierung von Necati Öziris antikolonialistischem Manifest-Text ›Die Verlobung in St. Domingo – Ein Widerspruch‹ werden die Gewaltorgien der Sklaverei und des Aufstands dagegen gerne in solche szenischen Clownsnummern übersetzt. Das Varietétheater der Grausamkeit spielt mit Tanzeinlagen, Schatten- und Maskenspielen und lustigem Electroclash (Lars Wittershagen). Die Gewaltdimension, erst recht die Realgewalt des Kolonialismus irgendwie realistisch bebildern zu wollen, wäre albern.«
»Immer neue Varianten probt die fünfköpfige Truppe durch, die anfangs lässig wie Revuestars auf die Bühne tänzelt und einen angenehmen Rhythmus herstellt, der regelmäßig in Lärm eskaliert. Sie schlüpfen in Rollen und Kostüme, um sie kritisch zu befragen, vor allem Kenda Hmeidan, die aus der naiven Toni eine äußerst selbstbewusste junge Frau macht und Maryam Abu Khaled, bei der die böse alte Mutter als lebenskluge Macherin mit langem Leidensweg sichtbar wird.«