Die Jugend ist die Hoffnung. Sie ist noch nicht verbraucht, sie hat noch einen moralischen Grundimpuls, ist noch nicht abgestumpft und resigniert. Oder? Was, wenn ein Lehrer beim Korrigieren der Klassenarbeiten plötzlich mit Menschenverachtung und Rassismus konfrontiert wird? Wenn er sich einer Klasse gegenüber sieht, die komplett verinnerlicht hat, was ihr Umfeld vorlebt? Horváths im Jahr 1937 erschienener Roman Jugend ohne Gott ist die hellsichtige Analyse einer Gesellschaft, an der sich Werte-, Norm- und Moralverschiebung feststellen lassen. Horváth zeichnet darin am mikrokosmischen Abbild einer Schulklasse die schleichende Veränderung eines politischen wie auch gesellschaftlichen Systems, das sich in der Schule – dem Ort der Gesellschaftsbildung – manifestiert und an den Schülern offensichtlich zu Tage tritt. Der Lehrer Horváths ist dabei kein Held, ist keiner, der sich seiner Sache sowie sich selbst gewiss ist, vielmehr ist er einer, den die Beobachtungen seiner Schüler an sich und der ihn umgebenden Gesellschaft zweifeln lassen. Er hadert und ringt mit sich, indem er sich in einer von Verrohung und Vermassung bedrohten Gesellschaft als aufrichtiges Individuum zu behaupten versucht. Nurkan Erpulat, Hausregisseur am Gorki, wird Horváths Stoff auf seine Gegenwärtigkeit hin befragen. Die Autorin Tina Müller wird dafür einzelne Motive des Romans aktuell recherchieren sowie überschreiben und in ihre Bearbeitung der Romanvorlage einfließen lassen. Das für diese Inszenierung eigens zusammengesetzte Ensemble von jungen Spieler*innen wird Schauspieler Denis Geyersbach als Lehrer gegenüber gestellt sein. Auf der Grundlage von Jugend ohne Gott fragen sie gemeinsam: Welche Werte sind ihnen wichtig, welche Normen prägen sie und die Gesellschaft heute? Und: Wie sieht sich der Einzelne und kann sich behaupten?
Premiere 12. April 2019
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Hinweis: Die Produktion enthält Stroboskop-Lichteffekte, schnelle und flackernde Bildabfolgen, die negative Auswirkungen auf lichtempfindliche Zuschauer*innen haben können.
Foto: Esra Rotthoff
Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Reinbek bei Hamburg
Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds
»Working from a new stage adaptation by the young Swiss writer Tina Müller, Mr. Erpulat’s production of ›Youth Without God‹ shifts the perspective from the unnamed teacher — the book’s narrator — to the students, who speak about their values, desires, frustrations and fears.«
»Die nach hinten aufsteigende Bühne von Alissa Kolbusch […] gleicht einer gewaltigen Jalousie mit offen gelassenem Sehschlitz. Darauf versammelt sich ein tolles, Ensemble, das überwiegend aus jungen Schauspielerinnen und Schauspielern am Karrierebeginn besteht […]«
»Während Hovárth 1937 die Verrohung gottloser jugendlicher Mitläufer im Nationalsozialismus angreift und einen darüber geläuterten Lehrer erzählen lässt, knüpft die Gorki-Textcollage an den Befindlichkeiten, Sehnsüchten und vor allem an den Überforderungen heutiger Jugendlicher im globalisierten ›Anything Goes‹ an.«