Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Wir zerbrechen uns darüber nicht den Kopf. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. […] Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde!
Joseph Goebbels, 1928
Wie bereits in der Vergangenheit geschehen, erleben wir heute wieder wie antidemokratische Kräfte mit Mitteln der Demokratie legitimiert werden, mediale und reale Präsentationsräume erhalten und ihre Ansichten salonfähig werden. Dann können sie ganz legal anschließend die Demokratie umstürzen und eine autoritäre Diktatur fordern – nicht nur in Polen oder Ungarn, sondern auch in Deutschland. Oliver Frljić hat drei Jahre lang das Nationaltheater in Rijeka geleitet und wurde von seinem Publikum begeistert unterstützt, von katholisch kroatischen Nationalisten erbittert bekämpft. Seitdem inszeniert er in unterschiedlichen Ländern, zuletzt in Österreich und Polen, wo seine Arbeit Klątwa (Der Fluch), die im Juni 2017 im Gorki zu Gast war, in Warschau für Jubel und Protest sorgte. Im Gorki will er der Logik der Politik folgen, um das Theater in Frage zu stellen und das demokratische System zu überdenken. Pünktlich zum 150. Geburtstag von Maxim Gorki untersucht Frljić, ob Gorki dem Gorki helfen kann, die Alternative für Deutschland zu verstehen. Und ob die Alternative für Deutschland helfen kann, das GOЯKI zu verstehen. Oder andersherum? Was ist Demokratie wert, wenn ihre Gegner*innen in ihren Räumen groß aufspielen können? Was ist Theater wert, wenn in seinen Räumen seine Gegner*innen nicht aufspielen können?
Uraufführung 15. März 2018
Foto: Esra Rotthoff
Bühnenfotos: Ute Langkafel
»Dass das Theater ein Ort für intelligente Fragen ist, hat Oliver Frljić in einem rasanten 90miütigen Theaterabend gezeigt.«
»Raffinierte Selbstironie und ausgeklügelte Perspektivenwechsel[...]«
»›Gorki – Alternative für Deutschland?‹ arbeitet bewusst raffinierter und dank besagter Selbstironie auch amüsanter. Der Perspektivenwechsel, den das Ensemble eingangs vollzieht, indem es die von außen (und bisweilen auch explizit rechtsaußen) an es herangetragenen Vorwürfe und Klischees zur Belustigung des Publikums höchstselbst von der Bühne herunterschleudert, dabei auch durchaus Platz für kritische Selbstreflexion lässt, weitet sich im ersten Teil zum generellen Leitmotiv des Abends aus.«
»Hier erweisen sich Authentizität und Glaubwürdigkeit als Stärken dieses Theaters.«
»Das Bild von den provozierenden AfD-Mitgliedern im Bundestag drängt sich auf. Der Regisseur Frljić hat sich nicht als ›Haudrauf‹ des Theaters erwiesen, sondern als warnender Prophet. Eine Teufelsaustreibung hat stattgefunden durch die szenische Beschwörung einer Machtübernahme. Das Bild von siegestrunkenen Teufeln im Gebälk wird bleiben […].«
»So hat sich das Ping Pong der reflektierenden Sätze schon bald in ein bedrohliches Dilemma hinein geschraubt: dass nämlich, was eben noch so selbstverständlich positiv und als gesellschaftlicher Fortschritt erstrebenswert erschien, plötzlich böse zu schillern beginnt.«
»Denn Frljić gelingt anhand des Modells Gorki-Theater die ziemlich präzise Beschreibung eines gegenwärtigen Verunsicherungszustandes: Was passiert (uns) eigentlich gerade? Was gilt aktuell überhaupt noch? Dachte man gerade noch, das Richtige zu tun und zu wollen, entdeckt man sich plötzlich als unfreiwillige*r Teilnehmer*in auf dem gesellschaftlichen Schlachtfeld und womöglich auf der falschen Seite.«
»Von der Selbstbeschimpfung bis hin zum Feldgrau – einen gewaltigen Parcours steckt der Polittheaterberserker Oliver Frljić in seiner ersten Inszenierung am Gorki ab.«
»Diese Kritik [zu hoher Migrantenanteil im Ensemble, Opferstilisierung statt Schauspielkunst, etc.,] verdichtet und streckenweise überzeichnet vom Ensemble, an das es gerichtet war, zu hören, entbehrt nicht des Humors. Das Gorki gewinnt an Reife.«
»Die Pointe, dass das Theater, dem die AfD die Subventionsfähigkeit absprach, nun aus eigenen Etat die Rechtsaußenpartei mitfinanziert, wird genüsslich ausgeschlachtet.«