»Was waren denn das für Menschen? Wovon sprachen sie? Welcher Behörde gehörten sie an? K. lebte doch in einem Rechtsstaat, überall herrschte Friede, alle Gesetze bestanden aufrecht, wer wagte ihn in seiner Wohnung zu überfallen?«
Am Morgen seines 30. Geburtstags wird Josef K. von den Agenten eines ihm unbekannten Gerichts als verhaftet erklärt. Ohne zu wissen, was er getan haben soll, sieht er sich einer undurchschaubaren und unheimlichen Bürokratie gegenüber, bis er von zwei Henkern in Anzügen abgeholt und an einem Flussufer hingerichtet wird.
Kafka, der als Angestellter einer Versicherungsgesellschaft selbst ein Teil der Bürokratie war, thematisiert in seinem Roman Der Prozess weniger das reibungslose Funktionieren der bürokratischen Maschine als vielmehr die unendlichen Verstrickungen, Verflechtungen und Verwirrungen, die sich aus den endlosen, labyrinthischen Bürogängen ergeben. Die Intransparenz der Verfahren und Behördenwege steigern sich bis ins Albtraumhafte.
Nach dem großen Erfolg von Ein Bericht für eine Akademie – das seit Februar 2019 aus dem Gorki Repertoire nicht wegzudenken ist – adaptiert Oliver Frljić erneut einen Kafka-Text für die Bühne. Vor dem Gesetz waren niemals alle Menschen gleich. Aber sind wir heute nicht dabei, mit der Illusion, es gebe diese Gleichheit, auch die Hoffnung aufzugeben, sie einmal herstellen zu können? Zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes kommt das Kafka-Jahr wie gerufen.
Im Rahmen des Premierenwochenendes lädt Oliver Frljić verschiedene Expert*innen zur Auseinandersetzung mit der K-Frage ein – Wofür steht die Figur Josef K.? Wer oder was könnte »K.« in unserer Gegenwart sein?
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Premiere 21/September 2024
Foto: Esra Rotthoff
Bühnenfotos: Ute Langkafel
»„Prozess. Ein Projekt von Oliver Frljic nach Frank Kazfka“ ist eine erfrischend neue, erfrischend andere Sichtweise auf den Romanklassiker. Und damit ein immens starker Beitrag zum 100. Todesjahr des Dichters, das mit allerlei Ausstellungen, Neuinszenierungen und Filmen aufwartet.«
»Da führen die Wärter zu schmissigem Soundtrack eine illustre Seil-Choreografie auf, an deren Ende der K.-Hals plötzlich in der Schlinge steckt. Oder eine Schreibmaschine – Ikone der Bürokratie ebenso wie Symbol für den Schriftsteller Franz K., der hier am Ende höchstselbst anstelle von Josef K. vor Gericht steht und sich für seine Fiktion rechtfertigen muss –, wird kurzerhand zum Folterinstrument zweckentfremdet.«
»Masken und Korsett-Anzüge sorgen dafür, dass Beamte und Angeklagte bald ununterscheidbar sind, und auch das Publikum selbst darf sich schnell als Teil der mysteriösen Verhandlungen begreifen, als Mitankläger und Beklagter zugleich.«
»Die restlichen fünf Schauspieler*innen bewegen sich in einem ganz anderen Formenkosmos als er. Sie skizzieren mit spitzer Schauspielerfeder die verschiedenen Figuren aus dem Umfeld des Gerichts als Karikaturen. […] Eckerts Joseph K. versucht, diese Leute zu verstehen, indem er sie spiegelt, daraus werden kleine Spielchen und Tanzeinlagen. Es gelingt ihm aber nie ganz, sein Fremdsein in einer nie ganz zu begreifenden Welt vermittelt sich dadurch sehr gut.«
»90 freche, kurzweilige Minuten, die den Kafka-Roman radikal modern, gleißend aktuell und hautnah erlebbar machen. Dabei wartet die Produktion noch mit einem echten Coup auf: Christiane Paul. Die Filmschauspielerin kann auf eine lange Karriere zurückblicken, hat aber erst zwei Mal Theater gespielt, und das ist lange her.«