Das neue Drama des britischen Dramatikers Simon Stephens, Maria, ist Gegenwartserkundung und freie Übertragung des alten Mythos’ um Maria in das digitale Zeitalter: Seine Maria sucht Nähe und Wärme in der Kälte und Unbehaustheit des 21. Jahrhunderts. Die junge Protagonistin des Stücks, 18-jährig, gerade selbst dem Kindesalter entwachsen, ist schwanger, während der Kindsvater längst abwesend ist, die eigene Mutter verstorben, der Vater kaum da, der Bruder wortlos verschwunden und nur die Großmutter noch an ihrer Seite.
Maria, genannt Ria, zukünftig alleinerziehend, gehört also zu jenen, die es am schwersten haben und leicht sozialer Verwahrlosung zum Opfer fallen dürften – doch sie begibt sich allem trotzend unbeirrt auf die Suche und bahnt sich mit großer Selbstverständlichkeit ihren eigenen Weg durch die chaotischen Umstände. Dennoch bleibt, wie jeder Suchenden, auch ihr das Umherirren nicht erspart: Im Streifzug durch die Stadt und im Laufschritt durch das Drama, birth, love und death, erlebt sie existenzielle Momente – von einer einsamen Geburt über digitale Näheerfahrung bis zur Sterbebegleitung. Simon Stephens gehört zu den wichtigsten Theaterautoren der Gegenwart. Er ist berühmt für die soziale Präzision und Empathie, mit der er seine Figuren zeichnet. Seine Maria ist eine entfernte Verwandte von Hebbels Maria Magdalena und Horváths Maria aus Glaube Liebe Hoffnung, steht aber ganz in ihrer Welt, kurz vor dem zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends.
Nurkan Erpulat, Hausregisseur am Gorki, widmet sich mit Maria erneut einer Protagonistin an der Grenze des Erwachsenseins und untersucht neben ihrem jugendlichen Widerstand den Zeitgeist der Welt, in die sie gestoßen wird.
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Premiere am 15/Februar 2020
Hinweis: Die Produktion enthält Stroboskop-Lichteffekte, schnelle und flackernde Bildabfolgen, die negative Auswirkungen auf lichtempfindliche Zuschauer*innen haben können.
Foto: Esra Rotthoff
Bühnenfotos: Ute Langkafel
»Vidina Popov spielt Ria in all ihren widersprüchlichen Facetten mit Leib und Seele. Sie hat die aufgeregte Dampfplauderei ebenso drauf wie die tiefe Verunsicherung. Der kundengerechten Anpassungsfähigkeit ihrer Figur im Chatroom verleiht sie eine zusätzliche Ebene, indem sie hinter Christines so echt wirkenden Einfühlsamkeiten die Ängste und Hoffnungen Rias durchschimmern lässt.«
»Nurkan Erpulat findet für diese Grundsatzfragen der Kommunikation, die man im Theater sehr gut stellen kann, eine kraftvolle, sogar recht rabiate Entsprechung. Die Schauspieler arbeiten sich von formal aufgesetzten Spielweisen mit choreografischen Elementen, Klischeeticks und Verfremdungseffekten immer weiter ins Realistische vor. So als würden sie die Schalen der Ironie ablegen und sich als Figuren einander immer weiter öffnen.«
»Da bekommt der Abend [...] eine tiefe, berührende Qualität. Gerade weil er diesen gestörten, könnte man vielleicht sagen, Internet-Persönlichkeiten ihre Würde gibt und eben auch dieser jungen Frau, die sich durchsetzt und die eine Souveränität über ihr Leben und auch über das Leben der anderen erhält.
Vidina Popov macht das wirklich fabelhaft in der Hauptrolle, weil sie so eine Freude ausstrahlt. Ibadet Ramadani Gallop singt den größten Teil ihrer Texte und auch das ist eine poetische Ebene, die [...] insgesamt zu einem sehr berührenden, tiefgründigen Theater-Erlebnis wird.«