Was bringt einen Teenager dazu, alleine eine gefahrenvolle Reise in ein unbekanntes Land anzutreten? Welche Situation führt Eltern dazu, ihr Kind in ein anderes, fernes Land zu schicken, um es in Sicherheit zu bringen? Und was sagt dies über die Welt, die Gesellschaft, in der wir leben, dass Millionen von Minderjährigen ihr Leben riskieren, auf der Suche nach einer Zukunft?
Fünfzig Prozent der Geflüchteten in Europa sind Minderjährige und viele davon sind unbegleitet. Kinder und Jugendliche kommen nach Europa, um ihr Überleben zu sichern und sind konfrontiert mit einem System, das sie nur zeitweise schützt. Laut Asylgesetz dürfen unbegleitete minderjährige Geflüchtete nicht abgeschoben werden. Mit anderen Worten: sie sind sicher bis zum achtzehnten Lebenjahr. Aber welche Zukunft haben junge Menschen, wenn sie sich davor fürchten müssen, erwachsen zu werden?
Futureland ist ein Science-Fiction-Dokumentartheaterstück mit Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, die alleine aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Guinea, Bangladesch nach Deutschland gekommen sind. Sie haben die Welt zu Fuß, mit dem Boot oder versteckt in einem Lastwagen durchquert und leben jetzt in Berlin, umgeben von Sozialarbeiter*innen, Jugendamt, Vormündern und anderen jungen Menschen verschiedener Kulturen. Es sind Teenager, die in einer neuen Welt gelandet sind, deren Regeln sie nicht kennen. Sie haben eine Schonfrist: sie können hierbleiben, aber sie wissen nicht, wie lange. Sie müssen ständig beweisen, dass sie Asyl verdienen, eine Chance in der Schule oder einen Platz in einem Freundeskreis. Sie befinden sich zwischen den Kulturen, zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Und, sie haben schon mehr erlebt, als viele von uns in ihrem ganzen Leben.
Mit Mamadou Allou Diallo, Ahmad Azrati, Fabiya Bhuiyan, Mohamed Haj Younis, Bashar Kanan, Sagal Odowa, May Saada, Sarah Safi
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Uraufführung am 18/Oktober 2019
Eine Koproduktion mit der Ruhrtriennale und gefördert von der Kulturstiftung des Bundes. Mit freundlicher Unterstützung von XENION - Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
Foto: Esra Rotthoff
Bühnenfotos: Ute Langkafel
»Futureland ist eine animierte Welt in 3D (Animationen: Luis August Krawen) mit kalten hohen Häuserschluchten, zwischen denen sich ab und zu ein paar Bäume im Wind bewegen. Es klingt makaber, den Asylprozess der Jugendlichen als Computerspiel darzustellen. Viel unheimlicher aber ist, dass die Parallele so gut funktioniert.«
»Die acht Jugendlichen interviewen einander, singen, tanzen und spielen vor 200 Leuten auf einer Sprache, die nicht ihre Muttersprache ist. Ihre Auftritte werden mit einem Jubel quittiert, der nichts mit einem etwaigen Jugend-Bonus, sondern mit Talent und Überzeugungskraft zu tun hat. [...] In ihren Projekten spielt die Autorin, Theater- und Filmregisseurin und Performerin [Lola Arias] mit Überlappungen zwischen Realität und Fiktion. Die realen Geschichten der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge hat sie jetzt zu einem rasanten, witzigen und bewegenden Stück verwoben, das einen angesichts der Präsentation der Jugendlichen voller Rührung und Bewunderung zurücklässt.«
»In diesen starken Szenen wirft ›Futureland‹ eine Frage auf, die unbegleitete minderjährige Geflüchtete nicht allein betrifft, aber in besonderem Maße: Soll man sich die eigenen Träume auf ein tristes Schubladenmaß zurechtstutzen lassen – oder weiter dafür kämpfen? Gegen Widrigkeiten, die sich die meisten von uns weder vorstellen können noch wollen.«
»Lola Arias' Team ist ein echter Casting-Coup gelungen: So eigen und kraftvoll sieht man nicht-professionelle Spieler*innen in Dokumentartheaterabenden nicht oft.«
»In wohltuend lakonischen Episoden bringt der Abend seine Dramaturgie voran: von der Einreise in ›Futureland‹ mit allen Integrationsforderungen über knappe biographische Einblendungen zu den Herkunfts- und Familienverhältnissen (mit der soghaften Geschichte einer geplanten Zwangsverheiratung und Emanzipation von May Saada) bis zu den Zukunftserwartungen der Spieler*innen. […] Überall bleibt der Pop entspannt, nur kurz angerissen, keine große Show, kein Ding. Und gerade deshalb mitreißend. Szenenapplaus schwillt an.«
»Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass es nicht nur einzelne Geschichten sind, sondern tatsächlich Geschichten einer Gruppe. Die lange Arbeit ist sehr sichtbar und sie [Lola Arias] schafft es, sie als Gruppe zu inszenieren und nicht nur auf die Einzelschicksale zu gehen. Das ist hervorragend gelungen!«
»Der Abend lebt von den Geschichten der Jugendlichen, die aber nie voyeuristisch ausgeschlachtet, eher spielerisch angedeutet werden. Es scheint eine nachhaltige Arbeit zu sein, die den Zuschauern genauso viel geben kann wie den Spielern.«