»Die ganze Welt erzittert. Alle Kontinente werden durch dieselbe Krise zerrissen. Es gibt keinen einzigen Fleck auf diesem Planeten…der nicht von dem Zyklon erschüttert wird. Im alten Europa verschwinden Menschen, brechen Systeme zusammen, kollabieren Institutionen«.
Benito Mussolini
Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass einer der Gründerväter des Faschismus das globale Ausmaß des Ersten Weltkriegs so präzise kurz nach Ende des Krieges beschrieben hat. Als der Erste Weltkrieg 1918 offiziell endete, sind jahrhundertealte Imperien von der Landkarte verschwunden, das Deutsche Kaiserreich musste seine Kolonien abtreten und wurde nach der Novemberrevolution von 1918 in die Weimarer Republik umgewandelt. 1918 hat sich mit der globalen Ausbreitung der Russischen Revolution auch der das Jahrhundert prägende ideologische Dreiklang ausgebildet: Kommunismus, Faschismus und liberale Demokratie. Ausgedrückt haben sich diese Ideologien in Nationalismen und zu gründenden Nationalstaaten. Was haben all diese blassen Splitter der Geschichte heute noch mit unserer Gegenwart zu tun?
100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wird das Festival War or Peace — Crossroads of History 1918 / 2018 mit Theatermacher*innen aus Deutschland, Georgien, Singapur, Tansania, Kroatien, Frankreich, Slowenien, Argentinien, Türkei, Bulgarien, Griechenland, Schweiz, Israel, Ukraine, Iran und Kurdistan die globale Archäologie und das Erbe dieses Konflikts befragen: Wer darf heute noch von Frieden sprechen? Diese Frage stellen sich gleichzeitig auch über 400 Jugendliche aus der ganzen Welt, die von der Bundeszentrale für politische Bildung zum Campus eingeladen sind, ein globales Erinnerungs- und Utopieforum für die Zukunft. In Workshops setzen sie sich mit den Folgen von 1918 auseinander und versuchen, die Gegenwart in ihrer Vielschichtigkeit vorausschauend zu begreifen.
Die Folgen dieses Kriegs spüren wir bis heute: »Unser Vormarsch wird nicht stoppen, bis wir den letzten Nagel in den Sarg der Sykes-Picot-Verschwörung geschlagen haben«, verlautbarte der sogenannte IS im Juli 2014. Am 16. Mai 1916 wurde mit dem Sykes-Picot-Abkommen die Aufteilung des Osmanischen Reiches nach Kriegsende beschlossen. Die auf diesem französisch-britischen Abkommen beruhenden Grenzziehungen sind bis zu diesem Tag mitverantwortlich für die endlosen Konflikte, die die Region bis heute heimsuchen. Ein polyphones Netzwerk von Künstler*innen begibt sich im Gorki auf eine Suche nach den Spuren des 20. Jahrhunderts im Jetzt. Durch radikal persönliche Zugänge forscht eine internationale Theater-Avantgarde in verschiedensten Formaten nach Partikeln der Vergangenheit in ihren Körpern, Biographien und Landschaften, sie trägt Schicht für Schicht das scheinbar Zementierte der Gegenwart ab und legt die Wirren der Gewalt offen, die sich nach 1918 fortgesponnen haben.
Mazlum Nergiz | Festivalkuration War or Peace
Zum Festival-Programm
Campus: Ein Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung mit Unterstützung des Maxim Gorki Theaters, gefördert vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland | Künstlerisches Programm: eine Kooperation des Maxim Gorki Theaters und der Kulturstiftung des Bundes, unterstützt von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland | Weitere Förderer und Partner: Literarisches Colloquium Berlin, Robert Bosch Stiftung