GEFÄHRTEN III: Letztes Gespräch mit den Fischen


»Dwanow tat es nicht leid um seine Heimat und er verließ sie. Ein sanftes Feld zog sich als menschenleerer Acker hin, unten von der Erde roch es nach der Traurigkeit altersschwacher Gräser, und dort begann der ausweglose Himmel, der die Welt zu einem leeren Ort machte. 
Das Wasser im Mutjowosee war leicht bewegt, beunruhigt vom mittäglichen Wind, der sich in der Ferne schon gelegt hatte. Dwanow ritt dicht ans Wasser heran.
Er hatte in seinem frühen Leben darin gebadet und sich daraus ernährt, in seiner Tiefe war dereinst sein Vater zur Ruhe gekommen, und nun verzehrte sich der letzte und blutsverwandte Kamerad Dwanows schon einsame Jahrzehnte in der Enge der Erde nach ihm. Proletarische Kraft neigte den Kopf und stampfte mit dem Huf – etwas behinderte sie da unten. Dwanow sah hin und erblickte eine Angel, die das Pferd vom Hochufer mitgeschleift hatte. Am Angelhaken steckte das ausgedörrte, zerbrochene Skelett eines kleinen Fisches, und Dwanow erkannte, dass es seine Angel war, die er als Kind hier vergessen hatte. Er blickte über den unveränderten, verstummten See und stutzte, denn sein Vater war noch da – seine Knochen, die gelebte Substanz seines Körpers, der Moder seines verschwitzten Hemdes –, die ganze Heimat des Lebens und der Freundschaftlichkeit. Dort gab es für Dwanow einen engen unabdingbaren Platz, wo die Rückkehr des Blutes, einst im Körper des Vaters für den Sohn abgegeben, als ewige Freundschaft erwartet wurde. Dwanow zwang Proletarische Kraft, bis zur Brust ins Wasser zu gehen, und ohne von ihr Abschied zu nehmen, glitt er vom Sattel ins Wasser, sein Leben auf der Suche nach jenem Weg fortsetzend, den einst der Vater in Todesneugier gegangen war, und Dwanow ging ihn im Schamgefühl des Lebens vor dem schwachen, vergessenen Körper, dessen Überreste sich im Grab verzehrten, denn Dwanow und die noch nicht vernichtete, noch glimmende Spur der väterlichen Existenz waren eins.
Proletarische Kraft hörte Unterwassergras rascheln, und Bodenschlamm stieg zu ihrem Kopf hoch, aber das Pferd schob mit dem Maul das unsaubere Wasser beiseite und trank ein wenig von einer helleren Stelle, dann ging es an Land und lenkte den behutsamen Schritt nach Hause, nach Tschewengur.«

Andrej Platonow: Tschewengur, Suhrkamp Verlag, 2018.