Der Untertan

Das Berliner Stadtschloss steht wieder! 1950 ließ die Führung der DDR es als »Relikt der Monarchie« sprengen, nachdem es 1945 bei einem Bombenangriff fast vollkommen zerstört wurde und errichtete dort den Palast der Republik. Jetzt ist es wieder da. Die »Denkmalomanie« die die deutsche Kaiserzeit durchzog und vor keinem Ort, keinem Platz, keiner Stadt Halt machte, – jeder wollte ein Kaiser-Denkmal haben, findet damit ihren krönenden Abschluss in der Gegenwart.
 
Nachdem Wilhelm der II. den Thron bestiegen hatte, wählte er 1888 das Schloss zu seinem Wohnsitz. Sein größter und treuster Follower? Neben den heutigen privaten Geldgebern aus der rechten Szene, Diederich Heßling, der Protagonist von Heinrich Manns 1918 veröffentlichtem Roman Der Untertan. Die Adaptions- und Rezeptionsgeschichte des Romans ist lang. Nicht nur, dass die Veröffentlichung des Romans am Vorabend des 1. Weltkrieges gestoppt wurde und der Roman 1933 namentlich genannt dem Feuer der Nationalsozialisten auf dem heutigen Berliner Bebelplatz übergeben wurde, auch Wolfgang Staudtes DEFA-Verfilmung von 1951 musste »im rauen Wind des Kalten Kriegs mit der west-deutschen Zensur kämpfen.« Ist der Roman explizit eine Mentalitätsgeschichte des Kaiserreichs, eine »Geschichte der öffentlichen Seele unter Wilhelm II«, gingen die Intentionen des Filmes noch weiter. Regisseur Staudte interessierte sich nach dem Ende des 2. Weltkriegs zwar auch für den kaisertreuen Diederich Heßling, aber vielmehr noch für den psychologischen Ursprung des Faschismus. Als eine übergreifende Metapher dieser Zeit, dient in Heinrich Manns Roman die Figur des Schauspielers. »Und da es in Wirklichkeit und im Gesetz weder den Herrn noch den Untertan gibt, erhält das öffentliche Leben einen Anstrich schlechten Komödiantentums«. Neben dem Verweis auf die konstruierte Ebene von Macht, für deren Inszenierung der Kaiser bekannt war, schaut Heinrich Mann auch kritisch auf seine eigene Rolle als Künstler, als »Weiser und Narr«, der »ein Wissender ist, aber zugleich zu schwach ist, sein Wissen gesellschaftlich fruchtbar zu machen.« Ein kalter Wind weht über den Theaterplatz in Netzig, bevor Diederich Heßling mit seiner Frau eine Wagner-Oper besucht.

Regisseur Christian Weise, bestens vertraut mit dem Schwindel des Theaters und seinem Komödiantentum inszeniert Der Untertan als Moritat, als Erzähllied eines Bänkelsängers und seiner Truppe, die früher oft auf Straßen, Plätzen oder Jahrmärkten aufgetreten sind. Seit den 1930-Jahren ist diese Form zunehmend in Vergessenheit geraten – Let’s bring it back: mit unterschiedlichen Leinwandbildern von Julia Oschatz (Bühnenbildnerin des Jahres 2020), dem Musiker Jens Dohle und den Gorki-Schauspieler*innen Via Jikeli, Marta Kizyma, Catherine Stoyan, Tim Freudensprung und Till Wonka!


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Premiere 15/Dezember 2023


Foto: Esra Rotthoff
Bühnenfotos: Ute Langkaffel MAIFOTO

Sa.
19:30
Bühne

with English surtitles

Z. Zt. ausverkauft

Eventuelle Restkarten sind an der Abendkasse erhältlich.

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Di.
19:30
Bühne

with English surtitles

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Besetzung

Tim Freudensprung

Via Jikeli

Marta Kizyma

Fridolin Sandmeyer

Catherine Stoyan

Till Wonka

Pressestimmen

»Hemmungslos komisch: Via Jikeli. Ein tatsächliches Vergnügen ist es, VIa Jikeli in der Hauptrolle zuzusehen. Die Neue im Gorki-Ensemble schmeißt sich mit voller Kraft in die Figur.«

 

Fabian Wallmeier, Tagesschau/rbb

»Die meisten Akteure, so auch Wonka, spielen mehrere Figuren. Sie spielen schnell, präzise, spielen miteinander und mit dem Publikum. Und am witzigsten ist es, wenn Jikeli in ihrer Figur, aber aus der Szene heraus zum Saal spricht. Die Rollenreflexionen stehen im starken Gegensatz zur Härte des Textes.«

Iven Yorick Fenker, nachtkritik.de

»Es ist schon ein schöner Triumph, dass diese gesellschaftskritische Satire, die 1935 von Nazis auf dem August-Bebel-Platz mit streng gemachten Organen und brandbeschleunigendem Pathos den Flammen übergeben wurde, heute, 90 Jahre später, auf der anderen Straßenseite von einem gesellschaftskritischen Theaterchen zur Aufführung gebracht wird.«

Ulrich Seidler, Berliner Zeitung