Hrant Dink, bekannt für seine journalistischen Bemühungen, eine Brücke zwischen Armenier*innen und Türk*innen zu schlagen, trat Ende 2006 im türkischen Privatfernsehen auf. Die Sendung, moderiert von Can Dündar, der später aufgrund zunehmender Repressionen selbst aus der Türkei fliehen musste, thematisierte Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuchs, der die »Herabwürdigung des Türkentums« unter Strafe stellte (so die Formulierung bis 2008). Nachdem Dink bereits mehrfach vom türkischen »tiefen Staat« bedroht worden war, zeigte er sich verärgert darüber, nach diesem Gesetz verurteilt worden zu sein. Wenige Monate später, am 19/Januar 2007 wurde er vor dem Büro der von ihm mitbegründeten Zeitung AGOS ermordet.
In der Kurzproduktion Spiegelungen inszeniert der Regisseur Miraz Bezar ein fiktives Gespräch zwischen Opfer und Mörder. Indem er Zitate aus dem Verhör mit Dinks Mörder Ogün Samast, der zur Tatzeit erst 16 Jahre alt war, einbezieht, macht Bezar aus dem Text eine intensive Performance. Es kommt zu einer absurden Verdrehung von Täter- und Opferperspektive. Die Verzerrung der Realität klingt in heftigen Echos nach. Die widersprüchlichen und endlosen juristischen Prozesse, die nicht aufklären konnten, wer hinter dem Mord steckte, wurden kontrovers aufgenommen; ihre Nachwirkungen werden zu einem weiteren Teil der Produktion.
Eine Produktion von Kultursprünge e.V. im Ballhaus Naunynstraße im Rahmen von § 301 – Die beleidigte Nation