Pressebrief, 28/November 2024


Maxim Gorki Theater im Dezember: Uraufführungen von Necati Öziris VATERMAL in der Regie von Hakan Savaş Mican und Zelal Yeşilyurts CYBERANGEL u.v.m.

zwei Uraufführungen werden im Dezember im Gorki zu sehen sein. Nichts zu den vorgesehenen Kürzungen in Berlins Kulturetat, die uns aber noch, einmal so beschlossen, mehr als genug und mehr als bisher vorhersehbar zu schaffen machen werden…

Am
21/Dezember wird VATERMAL, die Dramatisierung des gleichnamigen Erfolgsromans von Necati Öziri, uraufgeführt. Öziri, damaliger Leiter des Studio Я, schrieb das kurze Theaterstück Get Deutsch or Die Tryin', das 2017 in einer Inszenierung von Sebastian Nübling am Gorki zur Uraufführung kam. Ausgehend davon enstand Öziris Romandebüt. Das Buch fand unter anderem als Gewinner des Literaturpreis Ruhr 2024 sowie auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023 viel Beachtung. Vatermal ist ein Brief an einen abwesenden Vater, der, obwohl ihn aufgrund seiner vergangenen politischen Kämpfe gegen das Regime das Gefängnis erwartete, allein zurück in die Türkei ging. Necati Öziri wirft einen Blick auf die Kosten politischen Engagements. Der »Kämpfer« riskiert, darauf macht der Sohn aufmerksam, nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das seiner Freund*innen sowie seiner Familie. Nun bringt Hakan Savaş Mican, dessen Inszenierungen von Unser Deutschlandmärchen, Muttersprache Mameloschn und Berlin Oranienplatz integraler Teil des Gorki-Repertoires sind, den Stoff auf die Bühne. Trotz der zentralen Vaterfigur sind es mit Mutter und Schwester die Frauen im Leben des Sohnes, die sowohl im Roman als auch auf der Bühne die Hauptrolle spielen. Neben Sesede Terziyan und Doğa Gürer wird Flavia Lefèvre in ihrer ersten Produktion als festes Gorki-Ensemblemitglied zu sehen sein.


Zelal Yeşilyurt wurde vor 24 Jahren in Berlin geboren. Sie studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen und Szenisches Schreiben in Berlin. Ihr Stück i'm a girl you can hold IRL wurde im vergangenem März im Studio Я uraufgeführt. Am 14/Dezember folgt im Studio Я die Uraufführung ihrer neuesten multimedialen Inszenierung CYBERANGEL, die Zelal Yeşilyurt mit ihrem künstlerischen Team erarbeitet hat und bei der sie zudem auch selbst als Performerin auf der Bühne steht. In Cyberangel wird gefragt, ob wir dabei sind, unsere Leben in die sozialen Medien, in eine Cyberwelt, zu verlegen. Kann diese Cyberwelt zu einer Art Exil werden, eine dauerhafte Zufluchtsstätte aus dem »wirklichen Leben«?

Einen Blick auf ein ganz anderes Exil wird am 8/Dezember geworfen. Dann verschmelzen Davide Minotti und Valeria Miracapillo in AT ALL HOURS AND NONE im Studio Я eine Live-Performance, einen Film über die große türkische Autorin Aslı Erdoğan (sie ist Artist in Residence im Gorki) und ein Gespräch mit ihr zu einer multimedialen Erörterung über die Freiheit und die Unfreiheit der unterschiedlichen Wege für die immer wieder neue Suche (Aslı Erdoğan arbeitete als Teilchenphysikerin am CERN und als Ethnologin in Brasilien) nach womöglich doch immer derselben Wahrheit.

Für den 2/Dezember hat Arno Widmann den an der Humboldt-Universität lehrenden Verfassungsrechtler Christoph Möllers zum Gespräch ins Studio Я eingeladen. Es wird keine Performance geben, nichts Multimediales, kein Theater. Aber Thema und Gast werden für Spannung sorgen. Am Anfang der Befragung wird der Artikel 5 des Grundgesetzes stehen, dessen erster Absatz lautet: »Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.« Im Zentrum der Veranstaltung steht dann aber die leider sehr aktuelle Frage: WER BEDROHT DEUTSCHLANDS VERFASSUNG?

Die szenische Lesung CONTEXTUAL ECHOES OF CIVIC RESILIENCE bringt am 20/21/Dezember ebenfalls im Studio Я Stimmen aus Belarus, der Ukraine, Russland und Deutschland zusammen und präsentiert wahre Geschichten aus dem Zentrum von Aktivismus und Widerstand. Regisseur*innen, Dramatiker*innen und Aktivist*innen lesen auf Belarusisch, Ukrainisch, Russisch und Deutsch (mit englischen Übertiteln) mitten aus den Kämpfen gegen Tyrannei und Krieg.

Für weitere Informationen, Interviewanfragen und die Reservierung von Pressetickets stehen wir gerne zur Verfügung!


Beste Grüße

Elisa Thorwarth (Referentin Kommunikation und Presse)
Alexander Ostojski (Referent Kommunikation und Presse)
Nino Medas (Pressesprecher und Leitung Kommunikation)

Presse
Maxim Gorki Theater Berlin
Am Festungsgraben 2, 10117 Berlin
Tel. 030 - 20221 355 / 392
presse@gorki.de
www.gorki.de  


********************************************************************************************************************

Highlights im Dezember:

Uraufführung
VATERMAL
21/Dezember 19:30, Bühne


Von Necati Öziri

Regie Hakan Savaş Mi̇can

Bühne Alissa Kolbusch Kostüme Sylvia Rieger Video Sebastian Lempe Musik Nils Ostendorf Live-Musik Kristina Koropecki & Maria Schneider Dramaturgie & Textfassung Anahit Bagradjans & Holger Kuhla

Mit Doğa Gürer, Flavia Lefèvre & Sesede Terzi̇yan

Arda bleibt nicht mehr viel Zeit. Er liegt mit Organversagen auf der Intensivstation und wartet auf ein Wunder. Seine einzigen Besucher*innen sind seine Schwester Aylin und seine Mutter Ümran, die seit zehn Jahren kein Wort miteinander gesprochen haben. Sie erzählen, sie erinnern sich und suchen in den Trümmern der gemeinsamen Vergangenheit nach Antworten. Was ist das, was ihre Familie zerstört hat? Sie selbst, die Umstände, ihre Chancenlosigkeit, oder doch ein Vater, der die Familie verlassen hat? Hakan Savaş Mican inszeniert das Romandebüt von Necati Öziri als die Geschichte einer so normalen wie außergewöhnlichen Arbeiter*innenfamilie, getrieben und zerrieben von den sozialen und politischen Realitäten unserer Zeit.


Weitere Vorstellung:
25/Dezember 18:00, Bühne


********************************************************************************************************************

Uraufführung
CYBERANGEL
14/Dezember 20:30, Studio Я

Text & Regie Zelal Yeşi̇lyurt

Bühne & Kostüm Elin Laut 3D Video Animation Lou Böttner & Berfîn Karakurt Sounddesign Fee Aviv Dubois Mixing & Mastering Jonathan Hamann Dramaturgie Anton August Dudda & Simon Meienreis

Mit Zelal Yeşi̇lyurt

Winnie lebt unter dem Nickname CYB3R_ANG3L_3 in ihrem eigenen Universum auf Tumblr. Die endlosen Informationsflüsse des Cyberspace sind die Kultur, mit der sie ihr Innerstes, ihre Gedanken, Gefühle und Ängste verknüpft. Winnie will hinaus aus ihrem verwundeten Selbst, den verräterischen Körper hinter sich lassen, sich auflösen in der fluiden Welt der Digitalität. Doch dann tritt etwas scheinbar Übernatürliches an sie heran, um sie auf eine Reise mitzunehmen.
Cyberangel kombiniert Performance mit multimedialer Installation und dokumentiert Winnies Alltag zwischen Schmerz und Trost auf der Suche nach Transzendenz. Dabei streift das Projekt durch die digitalen Phänomene der Cyberspiritualität und der Blogkultur sowie Trauma, Sinnlichkeit und Einsamkeit.

Weitere Vorstellungen:
15/29/Dezember 19:00, Studio Я


********************************************************************************************************************

Video-Performance, Lesung & Gespräch

AT ALL HOURS AND NONE
8/Dezember 19:00, Studio Я

Ein Projekt von Davide Minotti & Valeria Miracapillo


Gespräch mit Aslı Erdoğan Lesung Sema Poyraz Moderation Çağla Arıbal

Das filmische Porträt At All Hours and None erhebt eindringlich die Stimme gegen das Schweigen der in Berlin im Exil lebenden Schriftstellerin, Physikerin und Menschenrechtsaktivistin Aslı Erdoğan. Mit unnachgiebigem Widerstand schreibt sie gegen das Verschwinden und den Verlust ihrer eigenen Sprache an. Als ehemalige politische Gefangene in der Türkei kennt sie nur zu gut die Mechanismen autokratischer Gewalt und Unterdrückung, deren Ziel es ist, Menschen zum Schweigen zu zwingen. Die Video-Performance des Films kombiniert Text, Fotografien und Archivaufnahmen zu einer pulsierenden visuellen und akustischen Reise durch Orte und Zeiten, die Erdoğans entwurzeltes Leben prägen. Inspiriert von ihrem poetischen Werk Requiem für eine verlorene Stadt betrauert der Film das Leben, die Freiheit und Identität in einem Land, das zunehmend von Repression, Zensur und brutaler Gewalt gezeichnet ist. »Das Wort ist das einzige Instrument, das ich habe«, sagt sie. Für Erdoğan ist dies die mächtigste Waffe, um gegen Entmenschlichung und erzwungene Stille zu kämpfen. Ihre Identität ist zersplittert, ihre Vergangenheit kaum greifbar – und dennoch führt dieser Bruch sie dazu, sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen. Ihr schwindendes Selbst wird zum roten Faden, der ihr hilft, die Gegenwart zu begreifen und ihre Vergangenheit zu verarbeiten.


********************************************************************************************************************

Gespräch
WER BEDROHT DEUTSCHLANDS VERFASSUNG?
2/Dezember 17:30, Studio Я

Gespräch mit Prof. Christoph Möllers

Moderation Arno Widmann

Christoph Möllers gehört zu den bekanntesten Verfassungsrechtler*innen Deutschlands. Er wird im Maxim Gorki Theater über die jüngsten Angriffe auf unsere Verfassung sprechen. Zum Beispiel in der Asylfrage. Wie verfassungsfeindlich muss eine Partei sein, um verboten zu werden? Wir werden ihn auch befragen zu Meinungs- und Kunstfreiheit. Gehört zu den Aufgaben der Kunst nicht gerade auch die Infragestellung unserer Verfassung


********************************************************************************************************************

Szenische Lesung
CONTEXTUAL ECHOES OF CIVIC RESILIENCE
20/21/Dezember 19:00, Studio Я

Von Mikita Ilyinchik, Electra Liberte, Amalia Riznich, Iryna Serebriakova & Raban Witt

Regie Dor Aloni, Kristina Liulchenko, Masha Sapizhak & Julia Shevchuk

Die Veranstaltung, die an zwei Abenden im Studio Я stattfindet, bringt Stimmen aus Belarus, der Ukraine, Russland und Deutschland zusammen und präsentiert wahre Geschichten aus dem Zentrum von Aktivismus und Widerstand. Diese Stücke behandeln einige der schwierigsten Fragen, mit denen die Teilnehmenden und die Gesellschaften, die sie repräsentieren, konfrontiert sind: Wie durchbrechen die Geschichten von Frauen über gewaltlosen Widerstand das Narrativ, das die besetzten Gebiete aus unserem kollektiven Gedächtnis tilgt? Wie spiegelt die Suche von Journalist*innen nach der Wahrheit die Kämpfe unabhängiger Medien in Belarus heute wider? Wie gehen Graswurzel-Widerstandsbewegungen in Russland mit Anonymität und Repression um und welche Alternativen eröffnen sich ihnen? Welchen ethischen Dilemmata begegnen Cyber-Partisan*innen in ihrem Kampf gegen das repressive belarussische Regime und wie beziehen sie sich in ihren Aktionen auf historische Widerstandsbewegungen?