Claudia Roth hat am Abend ihrer Vereidigung eine Vorstellung von Sibylle Berg und die Ausstellung Offener Prozess zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes im Maxim Gorki Theater besucht.
Die neue Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth hat als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Ausstellung Offener Prozess zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes im Maxim Gorki Theater besucht. Die künstlerische Leiterin des Hauses Shermin Langhoff führte durch die Ausstellung, die im Rahmen des 5. Berliner Herbstsalons stattfindet. Zuvor war die Kulturstaatsministerin in der Vorstellung Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden von Sibylle Berg. Der Besuch hat am Mittwochabend, 8. Dezember, am Tag der Vereidigung der Minister*innen der neuen Bundesregierung stattgefunden.
Claudia Roth, Kulturstaatsministerin, zu ihrem Besuch der Ausstellung Offener Prozess:
»13 Jahre lang raubte, bedrohte und mordete der selbst ernannte Nationalsozialistische Untergrund. Eine Zeit, in der unser Rechtsstaat versagt hat, in der nicht nur die Angehörigen der Opfer, sondern auch alle von rassistischer Gewalt Betroffenen durch die Taten und den öffentlichen Umgang Demütigung und Zermürbung erlebt haben. Auch das zeigt: Wir brauchen einen Aufbruch in die Wirklichkeit, die Lebenswirklichkeit von vielen Menschen in unserem Land. Rechtsextremismus und Rassismus, sie gehören zu den größten Bedrohungen für unsere Sicherheit und Demokratie, für unsere Gesellschaft, für unseren Zusammenhalt. Es ist unser Auftrag, diesen Auswüchsen mit einer Kultur der Demokratie zu begegnen, jeden Tag Gesicht zu zeigen, die Stimme zu erheben und der Unmenschlichkeit entgegenzutreten. Heute, immer und überall. Die Ausstellung Offener Prozess leistet hierzu einen unabkömmlichen Beitrag.
Ich danke Shermin Langhoff und dem Team des Gorki Theaters, dass sie mit der Ausstellung Offener Prozess die Verbrechen des NSU in den Blick nehmen und damit weiter das tun, was das Gorki so oft tut, den gesellschaftlichen Diskurs anregen und den Scheinwerfer auf Dinge richten, die wir nicht genügend beachtet haben und aus der Komfortzone holen. Die Arbeit von Shermin Langhoff und ihrem Team schätze ich seit vielen Jahren, weil dieses Haus mit seinem Ansatz des postmigrantischen Theaters unersetzliche Anregungen für unsere Einwanderungsgesellschaft, für unsere vielfältige Gesellschaft gibt.«
Shermin Langhoff, Intendantin des Maxim Gorki Theaters, zur Vereidigung der Kulturstaatsministerin:
»Wir gratulieren Claudia Roth herzlich zur Ernennung. Diese Ernennung ist eine sehr gute Nachricht für die Kultur- und Medienschaffenden in Deutschland. Sie war bereits zuvor eine leidenschaftliche Kulturgängerin und noch leidenschaftlichere Menschenrechtlerin und Verfechterin von Rede- und Meinungsfreiheit für Medien und die Menschen dahinter, international. Mit dem Besuch der Ausstellung Offener Prozess hat sie nachgeholt, was sie zur Eröffnung kurz nach den Wahlen – zu ihrem Bedauern – versäumt hatte. Nunmehr als Kulturstaatsministerin und an ihrem ersten Amtstag. Zuvor hat sie sich am Schauspiel Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden von Sibylle Berg erfreut, und das Publikum feierte mit nicht enden wollendem Applaus das Ensemble und die neue Kulturstaatsministerin.«
Dass die frühere langjährige Parteivorsitzende der Grünen und Vizepräsidentin des Bundestages Claudia Roth in der neuen Regierung Kulturstaatsministerin wird, wurde am 25. November mitgeteilt. Roth wird mit der im Kanzleramt angesiedelten Position für die Kultur- und Medienpolitik auf Bundesebene zuständig sein.
Im Rahmen des 5. Berliner Herbstsalons und mit vielen Videoarbeiten, u.a. von Harun Farocki und Forensic Architecture, entwirrt die Ausstellung Offener Prozess die komplizierte Hintergrundsituation, die den Serienmorden der rechtsextremen Terrorgruppe NSU zwischen 2000 und 2006 den Weg ebnete. Das Projekt hinterfragt das offizielle und gängige Narrativ, das die Gräueltaten weiterhin als Einzelfälle von ideologischem Fanatismus definiert, und zeigt verschiedene Ebenen des institutionellen Rassismus auf, der offen oder latent in die Arbeitsweise der Staatsapparate und das tägliche Leben eingeflossen ist. Im Gegensatz zur lähmenden Zuschreibung der Opferrolle an diejenigen, die ihr Leben verloren haben, geben mehrere Arbeiten in Offener Prozess deren Verwandten und Gemeinschaften eine Stimme, die sich dem ihnen auferlegten Schweigekonsens widersetzen.
Aufgrund der hohen Nachfrage in den vergangenen Monaten hat sich das Maxim Gorki Theater gemeinsam mit den Kurator*innen dazu entschieden, die Ausstellung Offener Prozess, die am 1. Oktober eröffnete, zu verlängern.
Vom 16. Dezember bis 13. März wird Offener Prozess in komprimierter Form täglich und bei freiem Eintritt im Gorki Kiosk gezeigt. Bis zum 12. Dezember besteht noch die Möglichkeit, die vollständige Ausstellung zu sehen. An diesem Tag sind auch die Kurator*innen Ayşe Güleç und Fritz Laszlo Weber im Gorki und werden in einer Matinee mit den Kurator*innen des Rahmenprogramms ’61–’91–’21: IMMER WIEDER DEUTSCHLAND sprechen.
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