Rainer Werner Fassbinder (gelegentliches Pseudonym: Franz Walsch), geboren am 31. Mai 1945 in Bad Wörishofen im Allgäu, wuchs als einziges Kind seiner Eltern nach deren Scheidung im Jahr 1951 bei der Mutter in München auf. 1961 brach er das Gymnasium vor dem Abitur ab und zog nach Köln. 1963 kehrte er nach München zurück, wo er drei Jahre lang Schauspielunterricht nahm. 1966 und 1967 bewarb er sich an der neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin – und wurde beide Male abgelehnt. Ungeachtet dieser Zurückweisungen realisierte er 1966/67 als Regisseur, Autor und Darsteller die Kurzfilme »This Night«, »Der Stadtstreicher« und »Das kleine Chaos«.
Ab 1967 arbeitete er beim Action-Theater mit, einer freien Münchner Schauspielgruppe, zunächst als Schauspieler, später auch als Regisseur und Autor. 1968 schrieb und inszenierte er sein erstes Bühnenstück »Katzelmacher«. Im gleichen Jahr gründete er gemeinsam mit Hanna Schygulla, Peer Raben und Kurt Raab das »antiteater«. 1969 legte der Regie-Autodidakt mit »Liebe ist kälter als der Tod« seinen ersten abendfüllenden Spielfilm vor. Das Drama über einen kleinen Zuhälter, der sich in einen Auftragskiller verliebt, feierte auf der Berlinale Premiere, wurde von Publikum und Kritik jedoch verhalten aufgenommen. Mit der Verfilmung seines Theaterstücks »Katzelmacher« gelang ihm im gleichen Jahr auf dem Mannheimer Filmfestival der künstlerische Durchbruch: Fassbinder erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter zwei Deutsche Filmpreise, wurde vom Feuilleton als »Wunderkind des deutschen Films« gefeiert. Neben seiner künstlerischen Eigenwilligkeit sorgte er in den ersten Jahren seiner Karriere nicht zuletzt durch seine außerordentliche Produktivität für Aufsehen: Allein zwischen 1969 und 1971 drehte er neben seiner Theater- und Rundfunkarbeit zwölf Filme – darunter »Warum läuft Herr R. Amok« und »Händler der vier Jahreszeiten«, für die er jeweils mit einem Deutschen Filmpreis (Beste Regie bzw. Bester Film) ausgezeichnet wurde.
1971 gründete Fassbinder seine eigene Produktionsfirma Tango-Film und war Mitgründer des Filmverlags der Autoren. Bei seiner Arbeitsweise kombinierte Fassbinder vor allem während dieser Frühphase häufig die Methode von Andy Warhols »Factory«, indem er mit einem relativ festen Stab an Darstellern, Kameraleuten, Musikern und Bühnenbildern arbeitete, sowie mit stilistischen Darstellungsformen des Volksstücks, des Melodrams und des Gangsterfilms. Das Ergebnis waren sehr persönlich anmutende Filme, wie es sie in dieser Form in der deutschen Filmlandschaft kaum gab.
Bei »Angst essen Seele auf« (1974) orientierte sich Fassbinder an dem Melodram »Was der Himmel erlaubt« (»All That Heavens Allows«, USA1955) von seinem Lieblingsregisseur Douglas Sirk. Brigitte Mira spielt darin eine Putzfrau, die sich in einen marokkanischen Migranten (gespielt von Fassbinders damaligem Lebensgefährten El Hedi Ben Salem) verliebt und dafür von ihrer rassistischen Umwelt angefeindet wird. Auf dem Cannes Filmfestival 1974 wurde »Angst essen Seele auf« mit dem FIPRESCI-Preis und dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. Mit der in Schwarzweiß gedrehten Literaturverfilmung »Fontane Effi Briest« gelang ihm ebenfalls 1974 einer seiner größten Publikumserfolge.
Neben deutschen »Altstars« wie Karlheinz Böhm, Brigitte Mira und Barbara Valentin, die er in ungewohnten Rollen zeigte, arbeitete Fassbinder bei den Filmen »Chinesisches Roulette« (1976) mit Anna Karina und der Nabokov-Adaption »Eine Reise ins Licht – Despair« (1977) mit Dirk Bogarde erstmals mit internationalen Stars. Deutliche politische Statements legte er mit seiner 26-Minuten-Episode bei dem Gemeinschaftsprojekt »Deutschland im Herbst« (1978) und der Terrorismus-Farce »Die dritte Generation« vor.
»Die Ehe der Maria Braun« (1979) wurde einer seiner größten Kassenerfolge, Fassbinder selbst erhielt beim Deutschen Filmpreis die Auszeichnung als bester Regisseur. Zugleich eröffnete der Film eine Trilogie, bei der charakterlich sehr unterschiedliche Frauen im Zentrum stehen: Maria Braun (Hanna Schygulla) emanzipiert sich im Nachkriegsdeutschland von allen männlichen Dominierungsversuchen; »Lola« (1981) handelt von einer Prostituierten (Barbara Sukowa), die in einer Kleinstadt der 1950er Jahre Zeugin von Korruption und Klüngelei wird; im Mittelpunkt von »Die Sehnsucht der Veronika Voss« (1982) steht ein morphiumsüchtiger ehemaliger Ufa-Star (Rosel Zech). Bei der Berlinale 1982 wurde der Film mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Dazwischen drehte Fassbinder mit »Lili Marleen« (1981), frei nach dem Leben der Lale Andersen, einen weiteren Film über eine außergewöhnliche Frau.
Nachdem er im Lauf seiner Karriere bereits vielfach und mit Erfolg für das Fernsehen gearbeitet hatte – so etwa bei der ungewöhnlichen Familienserie »Acht Stunden sind kein Tag« (1972) – nahm er 1979, parallel zu seinen oben genannten Kinoarbeiten, eine 13-teilige (plus Epilog) TV-Adaption von Alfred Döblins »Berlin Alexanderplatz« in Angriff. Die Hauptrollen der 1980 ausgestrahlten Mini-Serie spielten Günter Lamprecht als Franz Biberkopf und Barbara Sukowa als Mieze. Obwohl für das Fernsehen produziert, nahm Fassbinder keinerlei Rücksichten auf eine konventionelle Serien-Dramaturgie, die ästhetischen Einschränkungen des kleinen Bildschirms und die Sehgewohnheiten des Fernsehpublikums. Von der zeitgenössischen Kritik zunächst zwiespältig aufgenommen, gilt das TV-Epos inzwischen als eines der Meisterwerke des Regisseurs.
Das Schwulen-Melodram »Querelle« (1982), nach einem Roman von Jean Genet, war Fassbinders letzter Film. Die Uraufführung beim Montreal Filmfestival im August 1982 erlebte er nicht mehr: Am 10. Juni 1982 starb Rainer Werner Fassbinder in München im Alter von nur 37 Jahren an Herzversagen infolge einer Mischung von Schlaftabletten, Alkohol und Kokain.